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Geschäftemacher. Von den Athener Ärzten haben offenbar etliche Geld am Fiskus vorbeigeschmuggelt. Steuerhinterziehung sei für Ärzte besonders leicht, kritisieren die Behörden. Foto: Keystone

© KEYSTONE / Keystone Pressedienst

Griechenland: „Macht die Steuersünder dingfest!“

„Schwarze Listen für weiße Kittel“, titelt ein Boulevardblatt: In Griechenland stehen die Ärzte am Pranger.

Athen - Ist mein Hausarzt auch dabei? Viele Athener stellten sich in dieser Woche die Frage, als sie die Tageszeitungen durchblätterten. „Schwarze Listen für weiße Kittel“, titelte das Massenblatt „Ta Nea“. 57 Namen umfasst das Sündenregister, das Finanzminister Papakonstantinou jetzt zur Veröffentlichung freigab. Die Liste enthält Zahnärzte und Kardiologen, Augenärzte und Radiologen, Orthopäden, Frauenärzte und Schönheitschirurgen. Viele prominente Nachfolger des Hippokrates sind darunter. Detailliert ist in der Liste hinter jedem Namen aufgeführt, welches Steuervergehen festgestellt wurde. Die entsprechenden Steuerstrafverfahren laufen noch. Eine zweite Liste umfasst die Namen von elf Ärzten, denen der Fiskus bereits Strafen aufgebrummt hat – in einem Fall sogar 1,3 Millionen Euro.

Eine dritte Liste enthält die Namen von 151 Ärzten, die Praxen im Athener Nobelviertel Kolonaki betreiben. Hinter jedem Namen steht, welchen Gewinn der jeweilige Doktor im Jahr 2009 dem Finanzamt deklariert hat. So meldete der Zahnarzt A. K. nur 300 Euro – für das ganze Jahr. Auch sein Berufskollege G.Z. hat offenbar gar nicht gebohrt. Er will lediglich 640 Euro Gewinn erwirtschaftet haben. 38 Ärzte deklarierten Einkommen von weniger als 12 000 Euro im Jahr – das ist der Grundfreibetrag. Mithin zahlten sie gar keine Einkommensteuer. Jeder Grieche weiß: Da kann etwas nicht stimmen. Die meisten Kolonaki-Ärzte behandeln nur Privatpatienten. Und wer einen von ihnen aufsucht, wird schon für eine flüchtige Untersuchung oder ein einfaches Beratungsgespräch mit 60 bis 100 Euro zur Kasse gebeten. In vielen Fällen verschwinden die Geldscheine gleich in der Schreibtischschublade des Doktors, ohne dass man eine Quittung bekommt. Kein Wunder eigentlich, dass nur zehn der 151 Kolonaki-Ärzte Jahreseinkommen von mehr als 100 000 Euro deklarieren. Spitzenverdiener ist der Gynäkologe N.S. mit 549 088 Euro – Kolonakis ehrlichster Arzt, sozusagen.

Wie reagiert die Zunft darauf, dass nun prominente Mediziner am Pranger stehen? „Ich bin für ein gerechtes Steuersystem“, sagt Emmanouil Kalokairinos, der Vorsitzende des griechischen Ärzteverbandes. „Aber diese Polemik, die sich einseitig gegen die Ärzte richtet, muss aufhören.“ Der Ärztepräsident ist strikt dagegen, dass die Namen von Steuersündern veröffentlicht werden, denn „damit wird der Arztberuf kriminalisiert“. Eine merkwürdige Argumentation. Stehen die Halbgötter in Weiß etwa über dem Gesetz?

Die Ärzte hätten es bei der Steuerhinterziehung besonders leicht, meint Ioannis Kapeleris, der Chef der griechischen Steuerfahndung. Zwischen Arzt und Patient herrsche ein besonderes Vertrauensverhältnis. Viele Patienten hätten Hemmungen, auf einer Quittung zu bestehen oder einen Krankenhausarzt anzuzeigen, wenn er für eine Operation ein „fakelaki“, ein Schmiergeld, verlangt, sagt Kapeleris. Seit der Veröffentlichung der Listen stehen im Athener Finanzministerium die Telefone nicht mehr still. Eine Mitarbeiterin des Ministeriums berichtet: „Wir erhalten unzählige Anrufe von Bürgern, die uns sagen: Weiter so, macht die Steuersünder dingfest!“ Gerd Höhler

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