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Ohne Kittel. Um 1914 trugen Chemiker und Laboranten bei BASF in Ludwigshafen noch Hüte auf dem Kopf.

© dpa

Größter Chemiekonzern der Welt: BASF wird 150 Jahre alt

Die ausgeklügelte Produktionsstruktur hat BASF weltweit führend gemacht. Hießen die Schlüsselbegriffe früher Magnetband und Jeans-Farbe, sind es heute Katalysator und Fracking.

Energie war für BASF schon immer ein Thema. Um 1970 herum wollte das Unternehmen an seinem Ludwigshafener Standort sogar ein eigenes Atomkraftwerk bauen. Aber die Behörden verschärften die Sicherheitsvorschriften, und das Projekt wurde zu teuer. Das ist eine Episode aus der wechselvollen Geschichte des heute weltgrößten Chemiekonzerns, der vom Jeans-Farbstoff über Magnetband und Styropor bis zu Düngemitteln und Babywindel-Kunststoff zahlreiche Produkte entwickelt hat. Am 6. April vor 150 Jahren wurde der Grundstein gelegt.

Das Portfolio hat sich in der Zwischenzeit nicht nur kräftig entwickelt, es wurde auch kräftig umgeformt. Die Düngemittel, ab Beginn des 20. Jahrhunderts lange das wichtigste Produkt, gehören seit ein paar Jahren nicht mehr dazu, ebenso das Magnetband. „Ein Unternehmen ist kein Museum, in das man einmal die Bilder hängt, um sie dann immer wieder zu betrachten, sondern befindet sich in ständigem Wandel“, sagt Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel.

Größte Investition: 2016 fällt die Entscheidung

Wichtigste Branche derzeit ist der Automobilsektor, für den BASF unter anderem Katalysatoren, Lacke und Kunststoffe herstellt. Rund 13 Prozent des Umsatzes kommen aus diesem Zweig. Und in Zukunft? „Die Mutter aller Trends ist die demografische Entwicklung“, sagt Engel. Die Weltbevölkerung wächst. Die Menschen strebten nach besseren Lebensverhältnissen, etwa nach sauberem Wasser oder gutem Wohnraum. Auch nach mehr Autos, etwa in China und Indien. „Und das ist etwas, woran wir teilhaben wollen.“

Der Blick richtet sich auch in die USA, wo die Energie- und Rohstoffpreise durch das Fracking, die umstrittene Schiefergasförderung, drastisch gesunken sind. BASF liebäugelt dort mit dem Bau einer Propylen-Anlage – eine der wichtigen Basis-Chemikalien. Es wäre die bislang größte Einzelinvestition. Die endgültige Entscheidung soll 2016 fallen.

Eine Milliarde Euro Vorsprung

Dass das weltweit führende Chemieunternehmen in Deutschland entstand, führt Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser unter anderem auf das Produktionsprinzip des „Verbunds“ zurück: Ein Netzwerk von Betrieben ist über Produktions- und Energieströme verbunden und spart so Rohstoffe und Kosten. Im Zentrum steht jeweils eine Riesenanlage, in der Rohbenzin mit Wasserdampf unter anderem in die Grundstoffe Ethylen und Propylen zerlegt wird. Allein das Ethylen ist laut BASF Ausgangsstoff für rund 30 Prozent aller Petrochemikalien. Weitere Anlagen verwandeln die Produkte des „Steamcracker“ in Rohstoffe für andere Anlagen. Die Produktion werde so intelligent organisiert, dass es so gut wie keinen Abfall gebe, sagt der Chemiegewerkschaftler Francesco Grioli.

Mit dem von Ingenieuren perfektionierten System sei es gelungen, die klassischen chemischen Produkte weltweit am billigsten herzustellen, ergänzt Abelshauser, der ein Buch über die Unternehmensgeschichte herausgegeben hat. Das in Ludwigshafen entwickelte Prinzip wurde ab 1964 exportiert, inzwischen gibt es weltweit sechs Verbundstandorte auf drei Kontinenten. „Wir rechnen mit insgesamt einer Milliarde Euro jährlichen Einsparungen, die aus dem Verbundkonzept am Standort Ludwigshafen und an anderen Verbundstandorten resultieren“, sagt Engel.

Industrialisierung als Initialzündung

Hinzu kam laut Abelshauser, dass das Unternehmen nicht nur Produkte verkaufte, sondern vor allem das Know-how, was man mit ihnen machen kann. „Während man am billigsten produziert hat, hat man am teuersten verkaufen können“, sagt der Historiker. Um die Jahrhundertwende herum erreichte den Vorstand dann laut Abelshauser die Nachricht: „Wir sind der Welt größter chemischer Betrieb!“ Die Verbund-Idee war bereits angeklungen, als der Leuchtgasfabrikant Friedrich Engelhorn die „Badische Anilin- & Soda-Fabrik“ 1865 ins Leben rief. Er wollte aus Teer synthetische Farben gewinnen – ein neues und einträgliches Produkt. Aus Kostengründen sollten die Hilfsstoffe gleich mitproduziert werden.

„Die BASF reiht sich ein in die Entstehungsgeschichte einer ganz neuen Generation von Branchen“, sagt Abelshauser. Zu diesen „neuen Industrien“, die ab 1860 zuerst in Deutschland entstehen, zählen neben der Großchemie auch Maschinenbau und Elektrotechnik. Die Kolonialmacht England, die die Industrialisierung zu einer gewissen Perfektion gebracht hatte, kennt diese Entwicklung nicht. Die Deutschen wollen auch am Weltmarktboom teilhaben, aber ihnen fehlt die direkte Möglichkeit, im Ausland zu investieren. „Sie mussten es über Waren machen, über Produkte, die dann auf dem Weltmarkt abgesetzt werden konnten“, erklärt Abelshauser.

Dabei können die „neuen Industrien“ auf die Forschungsergebnisse der weltweit führenden hiesigen Universitätslandschaft zurückgreifen. Bald verfolgen sie das Ziel, die Erkenntnisse der Professoren in die Praxis zu übertragen, indem sie große Anlagen bauen, die für den Markt produzieren. Dazu gehört auch der Ansatz, viele Rohstoffe – etwa Ammoniak – synthetisch herzustellen. Aus Abelshausers Sicht ist das typisch: Die Fähigkeit, Neuerungen „wie ein Schwamm“ zu absorbieren, machten die deutschen „Brot-und- Butter“-Branchen bis heute so erfolgreich in aller Welt.

In der Erfolgsdelle

Doch der Erfolg ist bei BASF nicht stetig. „Es gab auch problematische Phasen – etwa von 1965 bis zur Jahrhundertwende“, sagt Abelshauser. In dieser Zeit wurden die Weichen dafür gestellt, dass die BASF – im Gegensatz zu den Konkurrenten Hoechst und Bayer – weitgehend der Chemie treu blieb: Das Unternehmen hatte sich auf den Konsumgütermärkten für Tonbänder, Textilfasern und Arzneimittel engagiert, weil dort eine höhere Rendite lockte. Aber BASF habe es nicht geschafft, diese Märkte zu bestimmen und alle drei wieder verlassen – „teilweise mit hohen Verlusten“.

Der Pharmaverkauf von 2001 wird von manchem heute noch kritisch gesehen. BASF gab damit einen vielversprechenden Anti-Rheuma-Wirkstoff aus der Hand, mit dem der Käufer Milliarden umsetzt. Engel verteidigt die Entscheidung. Bei Pharma komme es auf Forschung und Vertrieb an. „Bei beidem waren wir zu klein und hätten einen Quantensprung machen müssen“, sagt er.

Und was stört? „Am Ende ist das Unternehmen keines, das den Beschäftigten etwas schenkt“, sagt Gewerkschaftler Grioli. Das werde man Ende des Jahres merken, wenn wieder über die Standortsicherung für Ludwigshafen gesprochen werde. Andererseits: „Ohne Chemie – und vor allem ohne BASF – wäre Rheinland-Pfalz immer noch eines der Armenhäuser Deutschlands“, sagt der Ex-Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Dieter Schiffmann. dpa

Jasper Rothfels

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