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© dpa

Großauftrag: Zug-Hersteller machen der Bahn Druck

Der Konzern zögert bei der Auftragsvergabe für den IC-Nachfolger – die Gewerkschaft sieht Stellen bedroht.

Berlin - Einige der alten Gefährte rumpeln schon seit vier Jahrzehnten über Deutschlands Schienen. Entsprechend sind der Komfort und die Zufriedenheit der Kunden, die in den betagten Intercity-Waggons durchs Land zuckeln. Beim Kauf neuer Züge hat es die Deutsche Bahn trotzdem nicht eilig – die Industrie und die Beschäftigten machen sich deswegen große Sorgen. „Massive Arbeitsplatzverluste bei den großen Systemhäusern und der Schienenfahrzeugzulieferindustrie“, befürchtet die IG Metall, sollte der Konzern nicht bald neue Aufträge vergeben. So steht es in einem Brandbrief von Betriebsräten, den IG-Metall-Chef Berthold Huber nun an Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube und an Verkehrspolitiker geschickt hat. „Die Sicherheit der Arbeitsplätze in der Bahnindustrie hängt maßgeblich von der Bestellpolitik der Deutschen Bahn ab“, schreibt er.

Eigentlich hatte die Bahn den Auftrag längst vergeben wollen – immerhin datiert die Ausschreibung vom Juli 2008. Es geht um die größte Bestellung in der Geschichte der Branche: 300 Triebzüge will der Konzern in den kommenden Jahren ordern. Sie sollen ab 2015 die IC-Flotte und ab 2020 die erste Generation der ICE-1-Züge ersetzen. Die Bahn fordert von ihrem Lieferanten ein Baukastensystem, um Züge für verschiedene Anforderungen ausrüsten zu können. Unterschiede soll es in der Zuglänge, bei der Innenausstattung und bei der Höchstgeschwindigkeit geben.

Der Industrie käme ein Großauftrag gerade recht, da die Bestellungen angesichts der Krise derzeit zurückgehen. Doch ein heftiger Preispoker um das als „ICx“ bezeichnete Projekt verhindert bislang eine Entscheidung. Als „nicht bezahlbar“ hatte Bahn-Personenverkehrs-Vorstand Ulrich Homburg die Vorstellungen der Hersteller jüngst abgekanzelt. „Bei der Industrie ist offenbar noch nicht angekommen, dass die Skala nicht nach oben offen ist.“ Im Rennen ist nur noch das Angebot von Siemens mit dem Unterlieferanten Bombardier, es soll bei sechs Milliarden Euro liegen. Der französische TGV-Konzern Alstom hat Branchenkreisen zufolge ein Angebot abgegeben, „das nicht ernst gemeint war“. Um eine Alternative zu haben, hatte die Bahn den asiatischen Hersteller Hitachi zu einem Angebot aufgefordert – aber eine Absage kassiert. Die Bahn erklärte auf Anfrage am Donnerstag nur, die Verhandlungen liefen noch.

„Eine rasche Auftragsvergabe könnte rund 4000 Arbeitsplätze dauerhaft sichern“, sagt Ronald Pörner, Hauptgeschäftsführer beim Verband der Bahnindustrie. Angesichts des großen Volumens hätten die Hersteller ihre Werke für mehrere Jahre einigermaßen ausgelastet – dafür erwartet die Bahn Zugeständnisse beim Preis. Berlin ist vom Auftrag nicht betroffen, wohl aber das ICE-Werk von Siemens in Krefeld. Konzernbetriebsratschefin Bettina Haller macht sich Sorgen. „Kunden werden sich fragen, warum sie denn noch bei Siemens bestellen sollen, wenn wir nicht einmal auf dem Heimatmarkt unsere Züge verkaufen können.“

Die Industrie sieht sich noch aus einem anderen Grund gegenüber dem Fast-Monopolisten im Nachteil. Statt den Auftrag teilweise vorzufinanzieren, wie bislang üblich, will die Bahn beim ICx erst bei Abnahme zahlen. Dabei sei die Konstruktion der Züge nach den jüngsten Problemen mit ICE-Achsen „nicht einfacher geworden“, heißt es in der Branche. „Wir können nicht einen Schnellzug zum Preis eines Regionalzugs verkaufen.“

Die Arbeitnehmer verlieren nun die Geduld. „Eine Verzögerung des Verfahrens wäre gerade in der tiefen Wirtschaftskrise ein fatales Signal für die Zukunftsfähigkeit der heimischen Bahnindustrie und der Deutschen Bahn“, schreiben die Bahnindustrie-Betriebsräte. Auch mit Blick auf die europaweite Liberalisierung im Fernverkehr ab 2010 halten sie eine rasche Entscheidung für wichtig.

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