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Wirtschaft: Großbritannien: Die Reihen der Euro-Gegner lichten sich

Anthony Nelson will nicht nochmal mit den Konservativen wie ein Lemming über die Europa-Klippe stürzen. Der Ex-Staatsminister in John Majors Regierung trat deshalb zu Labour über.

Anthony Nelson will nicht nochmal mit den Konservativen wie ein Lemming über die Europa-Klippe stürzen. Der Ex-Staatsminister in John Majors Regierung trat deshalb zu Labour über. In einem Brief an die "Times", den auch fünf Industrie-Manager unterschrieben, verurteilte er den Anti-Europa-Kurs seines ehemaligen Parteichefs William Hague von den Tories: "Tony Blair bietet eine positive Führung und die Vision von Großbritannien in Europa. Daher verdient Labour unsere Unterstützung."

Zu seiner Enttäuschung hat es Hague keinen Prozentpunkt in den Meinungsumfragen gebracht, dass er gegen den Euro zu Felde zieht. Im Gegenteil, die Front der Euroskeptiker bröckelt weiter. Wollten vor Beginn des Wahlkampfes noch fast 70 Prozent der Briten das Pfund Sterling behalten, würden bei einer Volksbefragung jetzt nur noch gut 50 Prozent gegen den Euro stimmen.

Wenn Blair in den nächsten zwei Jahren den Voksentscheid ansetzen wird, dann findet er auch starke Unterstützung bei Industrie und Gewerkschaften. Hagues Protzen mit dem "Pfunds-Elefanten", der das schwache Euro-Boot zum Kentern bringe, imponiert britischen Wirtschafts- und Finanzexperten nicht. "Die produzierende Industrie hat schon genügend Sorgen ohne ein aufgeblähtes Pfund", warnt Neil Parker, Währungsspezialist der Bank of Scotland.

Spätestens nach dem BMW-Rover-Debakel dämmert es auch Euroskeptikern, dass sie nicht ohne Probleme auf einer eurofreien Insel der Seligen sitzen können. Nicht nur die Münchner erklärten, dass das überhöhte Pfund ein Hauptgrund für die Trennung von Rover gewesen sei. Ähnliche Klagen musste sich Premier Blair auch von Ford anhören, die ihre Produktion in Dagenham reduzieren und in die Eurozone verlegen wollen. Auch der japanische Nissan-Großbritannien-Chef John Cushnaghan bezeichnete das Pfund als eine "schwere Bürde", die zum Verlust weiterer Jobs führen werde.

Trotz der düsteren Prophezeiungen der britischen Industriekapitäne über eine Zukunft ohne Euro ist die Wirtschaft über die Frage des Beitritts gespalten. Laut der jüngsten Umfrage der Industrie-und Handelskammern befürworten 38 Prozent den Beitritt, 36 Prozent lehnen ihn ab. 24 Prozent verhalten sich abwartend. Das erklärt auch die lavierende Haltung der Labour-Regierung. Gestärkt durch einen Wahlsieg kann Blair bei diesem Thema entschiedener auftreten. Womöglich bringt er eine neue "patriotische Allianz" mit einer reformierten konservativen Partei zustande. In der ersten "patriotischen Allianz" für Europa hatten sich sogar die Staatsmänner der letzten konservativen Regierung auf die Seite Labours geschlagen. Tony Blair holte Ex-Schatzkanzler Kenneth Clarke und den Ex-Industrieminister Michael Heseltine undbegann die Pro-Euro-Kampagne. Auch sein Vorgänger John Major oder Ex-Außenminister Douglas Hurd warben für die Währung.

Tony Blair steht beim Beitritt auch unter dem Druck der Gewerkschaften, für die das hohe Pfund der größte Jobvernichter ist. Eine Studie der Gewerkschaft GMB ergab, dass in ihrem Bereich unter der neuen Labour-Regierung rund 250 000 Arbeitsplätze verloren gingen. Ihr Generalsekretär John Edwards spricht von einer "Krise wie in den dunkelsten Tagen unter Margaret Thatcher" und droht mit "verheerenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Regierung".

Die durch das hohe Pfund verursachte Schwäche der produzierenden Industrie bringt die Wirtschaft in eine gefährliche Schieflage. So trägt die "Curry Industrie" - billige, indische Restaurants - mehr zur Wirtschaftsleistung bei als Stahl- und Schiffsbau zusammen. Um mit dem hohen Pfund wettbewerbsfähig zu bleiben, kürzt die Textilindustrie die Löhne und setzt zunehmende auf Leih- und Billigarbeiter.

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