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Wirtschaft: Großbritannien steuert geradewegs in die Rezession

LONDON .John Redwood hält nichts vom Euro.

LONDON .John Redwood hält nichts vom Euro.Deswegen macht der konservative Abgeordnete im britischen Unterhaus dem deutschen Zuhörer ein Angebot: Er werde die Interessen Deutschlands vertreten, sagt er freundlich.Und die, das ist seiner Ansicht nach ganz klar, können nur sein, alles Menschenmögliche gegen den Euro zu tun.

Der dürfte auch im Vereinigten Königreich bald zur Währung werden.Denn Premierminister Tony Blair scheint dem Euro gegenüber nicht allzu abgeneigt.Überhaupt hat Blair seine Geldpolitik am kontinentaleuropäischen Vorbild ausgerichtet - vor allem mit dem Paukenschlag zu Beginn seiner Amtszeit im vorigen Jahr, mit dem die neue Regierung die Bank of England in die zinspolitische Unabhängigkeit entließ.

Damit verlor die gewählte Regierung den entscheidenden Einfluß auf die Konjunktur an die unabhängigen Zentralbanker - die freilich, zumindest noch, in London sitzen und nicht in Brüssel.Das Gremium zielt in erster Linie auf die Geldwertstabilität.Darum erhöhte es seit dem Frühjahr vorigen Jahres sechsmal die Zinsen, die zu Beginn dieses Marathons schon bei sechs Prozent lagen - ziemlich hoch im Vergleich zu den vergleichbaren deutschen von jetzt 3,3 Prozent.

Als die Bank of England am 8.Oktober erstmals wieder die Zinsen senkte - von 7,5 auf 7,25 Prozent -, hatte sie die angestrebte Inflationsrate von 2,5 Prozent beinahe erreicht.Freilich hatte der Stabilitätskurs seinen Preis.Der Kurs des britischen Pfundes stieg, so gegenüber der Mark auf über drei DM.Dadurch verteuerten sich die Produkte aus England, Schottland, Wales und Nordirland.Sie büßten an Wettbewerbsfähigkeit ein.Nach Ansicht der Gewerkschaften gefährdet die Hochzinspolitik rund eine halbe Million Arbeitsplätze.Siemens und Fujitsu haben angekündigt, Werke im Norden Englands zu schließen.BMW will bei Rover in Longbridge 3900 Stellen abbauen - mehr als jeder vierte Arbeitsplatz fiele weg.

Jetzt aber steuert Großbritannien geradewegs in die Rezession.Unter dem Eindruck der asiatischen Finanzkrise korrigieren auch die britischen Ökonomen die Konjunkturprognosen nach unten.Während Schatzkanzler Gordon Brown noch tapfer von einem Aufschwung von einem Prozent im kommenden Jahr ausgeht, erwarten die meisten Volkswirte in der Londoner City nur noch eine Null vor dem Komma.Die US-Investmentbank J.P.Morgan prognostiziert inzwischen sogar ein Minuszeichen.Sie ist nicht die einzige Pessimistin.Im Laufe des Jahres hat sich auch die Stimmung der Wirtschaft abgekühlt.Zwar überwogen unter den Managern im Königreich nach Angaben des Unternehmerverbandes Institute of Directors noch zwei Prozentpunkte mehr Optimisten als Pessimisten.Aber im vorigen Quartal waren es noch 19 Prozentpunkte - und in dem davor sogar 51 Prozentpunkte.Was tun gegen die drohende Rezession? Die Sonntagszeitungen geben ihren Lesern schon wertvolle Tips - zum Beispiel: "Genießen Sie die Weihnachtsfeier in diesem Jahr.Es könnte für lange Zeit Ihre letzte sein."

Die Regierung will trotz des möglichen Konjunktureinbruchs ihre Reformen voranbringen.Die starken Konjunkturschwankungen mit hoher Arbeitslosigkeit und hohen Zinssätzen von 15 Prozent sollen endgültig der Vergangenheit angehören - so wie das Bild von der "britischen Krankheit", das in den 70er Jahren die verkrusteten Strukturen der einstigen Weltmacht beschrieb.Dafür sollen gesunde Staatsfinanzen und das Aus der staatlichen Konjunktursteuerung sorgen.

Selbst die Gewerkschaften leisten keinen großen Widerstand gegen die Fortsetzung der Reformen.Der Generalsekretär des wichtigen Trade Union Congress, John Monks, betont, die Situation der Gewerkschaften habe sich unter der Blair-Regierung insgesamt verbessert.New Labour hat bereits einen Mindestlohn eingeführt, ein strengerer Kündigungsschutz soll nun noch dazukommen.

Auch das Arbeitsbeschaffungs-Programm "Welfare to Work" ist nach dem Geschmack der Gewerkschaften.Es ist zugeschnitten auf die Problemgruppe der 18- bis 24jährigen, die länger als sechs Monate keinen Job hatten.Für die Arbeitsmarkt-Politik stellt die Regierung zusätzliche Mittel bereit.Allerdings gibt es auch die Drohung, die Sozialhilfe zu kürzen, wenn die Betroffenen die staatlichen Angebote nicht annehmen.

Das ist ein Beispiel für die "Sowohl-als-auch"-Politik von New Labour, wie William Paterson, Direktor am Institut für Deutsche Studien an der Universität in Birmingham, die Politik der Regierung bezeichnet.Ob Gerhard Schröder und die SPD sich da etwas abschauen für ihre Neue Mitte? Wenigstens sitzen auch am britischen Kabinettstisch Top-Manager: der ehemalige Chef des Ölkonzerns BP, Lord Simon, und Ex-Supermarkt-Boß Lord Sainsbury.

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