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Wirtschaft: Grüne kämpfen weiter gegen Dumpingpreise Künast-Ministerium ignoriert das Machtwort des Kanzlers – und droht dem Handel mit neuen Haftungsregeln

Berlin (pet). Verbraucherstaatssekretär Matthias Berninger (Grüne) hat den Vorstoß, notfalls per Gesetz gegen Billigangebote im Lebensmittelhandel vorzugehen, verteidigt.

Berlin (pet). Verbraucherstaatssekretär Matthias Berninger (Grüne) hat den Vorstoß, notfalls per Gesetz gegen Billigangebote im Lebensmittelhandel vorzugehen, verteidigt. „Ich sehe die Gefahr, dass die Lebensmittelkrisen von morgen Ergebnis des Preiswettbewerbs sind“, sagte der grüne Staatssekretär am Freitag auf der Grünen Woche in Berlin. Man könne nicht im Einzelhandel Konzentration zulassen, in der Landwirtschaft aber nicht. Daher müssten die Probleme angepackt werden, bevor es zu weiteren Skandalen komme. Berninger schlug vor, das Haftungsrecht so zu verändern, „dass die, die den Preiswettbewerb nach vorn treiben, zur Rechenschaft gezogen werden“.

In der vergangenen Woche hatte Verbraucherministerin Renate Künast angekündigt, durch eine Änderung des Wettbewerbsrechts gegen das „Preisdumping“ im Einzelhandel vorzugehen. Sie befürchtet, dass die Qualität der Lebensmitteln unter den Billigpreisen leidet. Darum will sie bei der anstehenden Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Änderungen durchsetzen, um härter gegen eventuelles Preisdumping vorgehen zu können. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, schloss sich ausnahmsweise der grünen Verbraucherministerin an und warnte vor der „Magie des Billigen“. Der Bundeskanzler allerdings wies seine Ministerin in die Schranken – mit Hinweis auf den Markt und die freie Wahl der Verbraucher. Auch Handelsverbände, Verbraucherschützer, Oppositionspolitiker und das Bundeskartellamt lehnen den Vorstoß der Ministerin ab.

Verbraucherstaatssekretär Berninger warnte vor den Folgen eines weiteren Preiskampfes im Lebensmitteleinzelhandel. „Da Qualität auf Kosten der Kosten geht, bekommen wir ein Problem, wenn die Preise weiter sinken.“ Der Druck auf die Produzenten werde immer größer, möglichst billig zu produzieren. Dadurch wachse die Gefahr, dass die Qualität leide. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir Sicherheit zum Nulltarif bekommen“, sagte Berninger.

Der Sprecher des Deutschen Einzelhandelsverbandes, Hubertus Pellengahr, wies den Vorwurf, dass die niedrigen Preise Schuld an den Lebensmittelskandalen der Vergangenheit seien, zurück. Gerade Billiganbieter hätten oft die schärfsten Qualitätskontrollen, sagte Pellengahr. Er warnte davor, Tiefpreise per Gesetz zu stoppen. „Wir können nicht mit staatlich verordneten Preisen arbeiten“, sagte Pellengahr. Der Handel biete nur an, was der Verbraucher haben wolle. Pellengahr geht davon aus, dass der Preiskampf im Lebensmittelhandel noch nicht beendet ist. Ganz im Gegenteil: „Ich befürchte, dass der Preiswettbewerb in diesem Jahr noch an Intensität zunehmen wird.“

Die CDUVorsitzende Angela Merkel sprach von einem Ungleichgewicht zwischen dem Handel und den Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte. Auf der Handelsseite gebe es „riesige Strukturen“ und „große Betriebe“, sagte Merkel auf der Grünen Woche. Der Großhandel könne dadurch viel Druck auf die Produzenten ausüben. Das Verbraucher-Ministerium dürfe deshalb „nicht nur Sprüche klopfen“. Es müsse dafür sorgen, dass die Bauern nicht die Verlierer seien. Erforderlich sei ein „fairer Wettbewerb“ und ein Angebot, bei dem der mündige Verbraucher seine Wahl treffen könne.

Der Verbraucherstaatssekretär signalisierte Gesprächsbereitschaft. „Ich bin gerne bereit, das Angebot aufzugreifen“, sagte Berninger. Man könne nicht im Einzelhandel Konzentration zulassen, in der Landwirtschaft aber nicht.

Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, kritisierte, dass die Erzeuger bei der Vermarktung ihrer Produkte aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Pools bilden dürfen – und damit weniger Marktmacht gegenüber dem Handel haben. „Da müssen wir ran“, forderte er. „Wir brauchen dazu die Ordnungspolitik und nicht nur moralische Appelle.“ Ohne diese staatliche Hilfestellung würden sich die Verbraucher beim Kauf natürlich für den Preis entscheiden – und das billigste wählen.

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