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Viel Gedränge, magere Ergebnisse. In Kopenhagen strömten im Dezember 2009 zehntausende Delegierte und Protestierer zum Klimagipfel.

© dpa

Grüne Wirtschaft: Konzerne feiern Bemühungen um Nachhaltigkeit

„Die Avantgarde der grünen Politik“ - so sieht sich die deutsche Industrie auf einer Veranstaltung in Berlin. Greenpeace und Grüne haben einen ganz anderen Eindruck.

Berlin - Heiter wurde es im Publikum, als Hans-Peter Keitel in seiner Rede auf den Klimagipfel von Kopenhagen zu sprechen kam, der im Dezember vergangenen Jahres die Welt bewegt hatte. „Das war die desaströseste Veranstaltung, die ich in meinem Leben erlebt habe“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) am Dienstag in Berlin. Die Organisation habe von vorne bis hinten nicht funktioniert. „Die Dichte an Häkelpullovern und Sandalen war so hoch, wie ich sie seit meiner Studienzeit nicht mehr erlebt habe“, fuhr Keitel fort. Lachen im Saal: ein Heimspiel für Deutschlands mächtigsten Industrielobbyisten.

Berlin, im Lichthof der Hauptstadtrepräsentanz der Allianz am Pariser Platz am Dienstagvormittag: Dort fand das Jahrestreffen des Vereins Econsense statt, des „Forums Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft e. V.“, so der vollständige Name. In dem vor zehn Jahren auf BDI-Initiative hin gegründeten Verein haben sich mittlerweile 28 große Unternehmen und Verbände zusammengeschlossen – von der Allianz bis Volkswagen über Energiekonzerne Eon und RWE, die Chemieriesen BASF und Bayer und die Schwerindustrie von Siemens bis Thyssen-Krupp. Mitglieder sind auch Unternehmen ohne große Schornsteine wie die Deutsche Bank, die Deutsche Börse, die Telekom, Vodafone oder die Berater von Ernst & Young.

In dieser Runde sagte Keitel vor 300 Vertretern, die auch anderen Unternehmen, Verbänden und Parteien angehören, dass der Klimagipfel gescheitert sei, weil Europa nicht mit einer Stimme gesprochen habe. Seine Stimme klang, als sei er noch heute enttäuscht darüber.

Econsense ist das Forum, in dem die Supermächte der deutschen Wirtschaft sich selbst – und vor allem der Öffentlichkeit – versichern, dass sie nachhaltig wirtschaften, wobei jedes Jahr in den Reden neu ausgelotet werden muss, was genau „Nachhaltigkeit“ bedeutet. BDI-Chef Keitel machte in den etwas ernsteren Abschnitten seiner Rede darauf aufmerksam, dass auch „Integration“ (von wem, sagte er nicht) ein Thema sei, das mit Nachhaltigkeit zu tun habe. Das gelte auch für „das, was wir derzeit in Stuttgart“ erleben. Man müsse darüber nachdenken und der Öffentlichkeit vermitteln, dass solche Projekte für mehrere Generationen da sind. Kurzum: Es gebe reichlich Arbeitsbereiche auch für die kommenden zehn Econsense-Jahre, um sich dem Thema zu nähern.

„Die deutsche Industrie hat es geschafft, den Nachhaltigkeitsbegriff so zu verwässern, dass jedes Unternehmen davon profitieren kann, ohne dafür einen Handschlag für die Umwelt zu tun“, sagte Karsten Smid, Energie- und Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace dem Tagesspiegel als Reaktion auf Keitels Rede. Im Übrigen habe er in Erinnerung, dass der BDI und einige Mitgliedsunternehmen auf dem Klimagipfel in Kopenhagen direkt und über den europäischen Arbeitgeberverband Businesseurope bei den Regierungschefs interveniert hätten, um strenge Klimavorgaben zu verhindern.

Keitel betonte in seiner Rede auch die Stärke der heimischen Wirtschaft bei nachhaltigen Technologien, der sauberen Energieerzeugung. Und man dürfe sich von der Öffentlichkeit und der Presse nicht vorhalten lassen, man sei Bremser. „Wir zählen zur Avantgarde, was grüne Politik angeht – und das sollten wir uns auch nicht nehmen lassen“, sagte Keitel.

„Herr Keitel hat scheinbar einen guten Traum gehabt. Wir würden uns sehr freuen, wenn er diesen als Weckruf versteht“, sagte Cem Özdemir, Chef der Partei Die Grünen, dieser Zeitung gestern auf Nachfrage dazu. „Ich besuche gerne mal mit ihm ein grün aufgestelltes mittelständisches Unternehmen, und danach reden wir über grüne Wirtschaftspolitik“, sagte Özdemir weiter.

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