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Sie ist überall. Finanzen, Energie, Autos – Güler Sabancis Konzern ist in der Türkei omnipräsent.

© Paolo Verzone/VU/laif

Güler Sabanci kandidiert für Aufsichtsrat: Die neue Macht bei Siemens

Diese Frau dominiert: Güler Sabanci. Die 57-Jährige kandidiert für den Aufsichtsrat des Elektrokonzerns Siemens – und ist eine der einflussreichsten Managerinnen der Welt.

Wer im 25. Stock des Sabanci-Towers im Istanbuler Bankenviertel Levent residiert, ist ganz oben angekommen. Hier ist die Chefetage. Seit 2004 leitet die 57-jährige Güler Sabanci dort die Geschäfte der Sabanci Holding, der zweitgrößten türkischen Unternehmensgruppe. Am 23. Januar kandidiert die „mächtigste Frau der Türkei“, wie sie genannt wird, auf der Siemens-Hauptversammlung für einen Sitz im Aufsichtsrat des deutschen Weltkonzerns. Die Türkin bringt reiche Managementerfahrung und Durchsetzungsvermögen mit.

Der kräftige Händedruck, die tiefe, rauchige Stimme, das selbstbewusste Lächeln – man spürt sofort: Diese Frau dominiert. Das Stereotyp vom „schwachen Geschlecht“ passt auf sie nicht. Das Magazin „Fortune“ führt Güler Sabanci in der globalen Rangfolge der mächtigsten Wirtschaftsführerinnen auf Platz sechs, die „Financial Times“ sogar auf Platz zwei. 70 Unternehmen, fast 60 000 Beschäftigte, knapp elf Milliarden Euro Umsatz: Damit ist die Sabanci Holding zwar deutlich kleiner als Siemens. In der Türkei aber ist Sabanci aber die stolze Nummer zwei nach der Familienholding Koc.

Güler Sabanci ist in einer Männerwelt aufgewachsen. „Ich war das erste Mädchen in unserer Familie“, erinnert sie sich. „Für meinen Großvater Haci Ömer Sabanci war ich die erste Enkelin, ein unbekanntes Wesen – das hat mir Vorteile gebracht“, glaubt sie. Das Bild des Großvaters hängt in ihrem Büro. Die Geschichte, wie alles angefangen hat, erzählt sie immer wieder gern: Wie Haci Ömer 1921 als 14-Jähriger aus dem zentralanatolischen Kayseri zu Fuß ins 450 Kilometer entfernte Adana wanderte, sich als Baumwollträger verdingte, seinen Verdienst in Land investierte und mit Anfang 20 als Partner in eine Baumwoll-Handelsfirma einstieg. Das war der Grundstein. Auf den 1966 gestorbenen Gründer folgte dessen Sohn Sakip. Er baute Sabanci zu einem globalen Konzern aus. Er bestimmte kurz vor seinem Tod Nichte Güler zur Nachfolgerin.

Da hatte sie ihre Qualifikation bereits unter Beweis gestellt: 14 Jahre lang führte sie die Reifensparte des Konzerns. Das brachte ihr den Spitznamen „Reifenkönigin“ ein. „Es war eine reine Männerwelt“, erinnert sie sich. „Aber es ging – ein wenig haben sich die Männern mir angepasst, ein wenig ich mich ihnen.“ Als Präsidentin der Holding hat sie den Supertanker Sabanci auf einen neuen Kurs gebracht. Aus acht Geschäftsfeldern wurden fünf: Finanzdienstleistungen, Zement, Einzelhandel, Automobile und Energie.

Sabanci Holding ist überall

Zur Sabanci Holding, die zu knapp 75 Prozent in Familienbesitz ist, gehören rund 70 Einzelfirmen. Sie begegnen den Türken fast überall: Sie benutzen vielleicht einen Geldautomaten der Akbank oder sie beziehen Strom aus einem Kraftwerk des Versorgers Enerjisa. Sie fahren möglicherweise ein Auto, das bei Toyotasa von den Bändern gelaufen ist, einem Gemeinschaftsunternehmen mit Toyota, oder sie benutzen einen Überlandbus der Marke Temsa. Die meisten dieser Busse rollen auf Reifen des Herstellers Brisa – das 1974 mit dem japanischen Hersteller Bridgestone gegründete Gemeinschaftsunternehmen ist der siebtgrößte Reifenhersteller Europas.

Zum Einkauf gehen viele gern in einen Carrefoursa-Supermarkt, eine Kooperation mit dem französischen Einzelhandelsriesen Carrefour. Wenn sie sich eine Zigarette anstecken, kommt sie häufig von Philip Morrisa. Einen Fernseher oder Computer kauft man bei Teknosa, der führenden Elektronikkette. Und wer es sich leisten kann, checkt auf der Geschäftsreise in einem Hiltonsa-Hotel ein, die zur Sabanci-Touristiksparte Tursa gehören.

Eine Frau an der Spitze eines Konzerns: In der Türkei ist das nicht ungewöhnlich. Hier trifft man mehr Frauen in Top-Positionen an als etwa in Deutschland. Nach einer Statistik des World Economic Forums sind zwölf Prozent der Vorstandsmitglieder in der Türkei weiblich. Nur in Finnland gibt es noch mehr Frauen in Führungspositionen. Der Weltdurchschnitt liegt bei fünf Prozent, in Deutschland sind es nur 3,2 Prozent.

Eine Frauenquote gibt es in der Türkei nicht, wohl aber eine Empfehlung der Kapitalmarktaufsicht, wonach jedes börsennotierte Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand haben sollte. Gefördert werden weibliche Karrieren durch eine gesetzliche Vorschrift, wonach ein Unternehmen, das mehr als 150 Frauen beschäftigt, einen Betriebskindergarten einrichten muss. Auch die Struktur der türkischen Wirtschaft, in der Familienunternehmen eine große Rolle spielen, begünstigt die Aufstiegschancen für Frauen.

Güler Sabanci, die als Single lebt, hat ihren eigenen Führungsstil entwickelt. Rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit widmet sie den nicht-kommerziellen Aktivitäten des Konzerns wie der gemeinnützigen Sabanci-Stiftung, zu der mehrere Museen gehören, und der Sabanci-Universität, eine der angesehensten Hochschulen des Landes. Vier von zehn Studenten der Universität bekommen ein Stipendium. Schon ihr Onkel Sakip hatte als großzügiger Mäzen in der Türkei den Status eine Volkshelden. „Man soll das Geld, das man in diesem Land verdient, den Menschen zurückgeben“, sagte er. Güler Sabanci pflegt diese Tradition.

„Verbindlich“ trete die Sabanci-Präsidentin im Geschäftsleben auf, aber auch „knallhart“, sagt ein prominenter Istanbuler Unternehmer: „Sie setzt sich besser durch als die meisten Männer, die ich kenne.“ Güler Sabanci gilt als die mächtigste Frau der Türkei, aber dieses Etikett gefällt ihr nicht. „Ich ziehe es vor, wenn man mich die erfolgreichste Frau der Türkei nennt – ich glaube fest an die Macht des Erfolges.“

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