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Wirtschaft: Güterverkehr: Die Lastwagen fahren der Bahn davon

Für Achim Judt ist die Sache klar: Die Bahn muss im Güterverkehr noch flexibler und schneller werden. "Nur so bleibt sie langfristig ein interessanter Partner für die Industrie.

Für Achim Judt ist die Sache klar: Die Bahn muss im Güterverkehr noch flexibler und schneller werden. "Nur so bleibt sie langfristig ein interessanter Partner für die Industrie." Judt weiß, wovon er spricht. Er leitet ein Werk des Automobilzulieferers Visteon in Berlin-Zehlendorf, das Tag für Tag 42 Eisenbahnwaggons voll mit Autoteilen zum Großkunden Ford nach Köln schickt. "Wir versenden praktisch alles in Mega-Containern mit der Bahn", sagt er. Der ehemalige Mutterkonzern in Köln verlange es so. Ob er auch sonst ein so guter Kunde der Bahn wäre, bezweifelt er: "Wir würden für einige Standorte sicher andere Transportmittel wählen - die Bahn ist einfach nicht flexibel genug." Transporte rund um die Uhr, durchgängiger internationaler Verkehr und bessere Preise, das wünscht sich der Visteon-Manager.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, das weiß auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Mit seinem neuen Güterverkehrskonzept hat er zumindest einen Anfang gemacht: Er will die Stärken der Bahn konsequent ausbauen und dort, wo die Bahn rote Zahlen schreibt, einen Schlussstrich ziehen und unrentable Gleisanschlüsse der Unternehmen stilllegen. Investiert wird deshalb in den so genannten Massenverkehr. Für den Transport von Massengütern wie Kohle, Erzen, Autos oder Vorprodukten der chemischen Industrie soll es modernere Züge und mehr Spezialwaggons geben. "Dieses Geschäft lohnt sich, und das soll auch so bleiben", sagt Achim Stauß, Sprecher der Bahn in Berlin-Brandenburg. In Berlin greift etwa die Bewag auf dieses Angebot der Bahn zurück, wenn sie Kohle aus Polen oder dem Ruhrgebiet zu ihren Kraftwerken transportieren lässt.

Ganz anders sieht es allerdings dort aus, wo nur ein- oder zweimal die Woche ein einzelner Waggon bei den Betrieben beladen und zum nächsten Rangierbahnhof gebracht wird. Diese Transporte sind für die Bahn und für den Kunden zu teuer und können deshalb seit langem mit den Lkws nicht mehr konkurrieren. Dieses Geschäft will Mehdorn jetzt auf den Prüfstand stellen, zumal die Bahn pro Wagen ein Defizit von 168 Mark einfährt. "Das heißt aber nicht, dass wir gleich alle Gleisanschlüsse kappen", sagt Stauß. "Die Bahn wird mit den Kunden Gespräche führen, ob es nicht eine bessere Alternative gibt."

Eine Möglichkeit könnte etwa die sein, die Güter im Container mit dem Lkw zum nächsten größeren Rangierbahnhof zu fahren. Teilweise könnten auch regionale private Bahngesellschaften die Aufgabe übernehmen. Zum großen Sterben von Gleisanschlüssen werde es in der Region aber nicht kommen, sagt Stauß.

Für Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Spedition und Logistik in Bonn, besiegelt Mehdorn mit seinem neuen Konzept nur das, was ohnehin schon Realität ist: Bei kleineren Mengen seien Industrie und Handel schon längst auf die kostengünstigere Variante - den Transport mit dem Lkw - ausgewichen. "Dabei wollen wir eigentlich mehr mit der Bahn und am besten mit konkurrierenden Bahnunternehmen zusammenarbeiten", sagt Rogge. Die Spediteure hätten deshalb auch eine gemeinsame Kombiverkehr GmbH gegründet. Diese bestelle ganze Züge bei der Bahn und bestücke sie dann auf eigenes Risiko. Um die Kunden zufrieden zu stellen, sei es aber entscheidend, dass die Züge schnell und pünktlich fahren. Hier habe die Bahn noch Nachholbedarf. Mehdorn hat indessen Besserung versprochen und will kräftig investieren.

Doch selbst wenn der Bahn-Chef den Güterverkehr auf Vordermann bringt und in den nächsten 15 Jahren tatsächlich 42 Prozent mehr Güter auf der Schiene transportiert, wird die Bahn dadurch ihren Marktanteil nicht erhöhen. "Für die Bahn wäre es schon ein Erfolg, wenn sie über die Jahre ihren Marktanteil hält.", sagt Herbert Baum, Professor für Verkehrswissenschaft an der Universität in Köln. Der Grund ist einfach: Internationale Arbeitsteilung, Wirtschaftswachtum, E-Commerce und nicht zuletzt die EU-Osterweiterung werden schon in den nächsten zehn Jahren für Wachstumsraten im deutschen Güterverkehr von 40 bis 60 Prozent sorgen. Viel wahrscheinlicher ist deshalb, dass die Bahn an Marktanteil verlieren wird.

Damit der Marktanteil aber nicht noch stärker schrumpft, muss es mehr Wettbewerb und bessere Angebote auf der Schiene geben. Mit der Einbindung regionaler privater Anbieter, wie es jetzt geplant ist, sei schon ein erster Schritt getan, sagt Baum. Wichtig sei aber, dass die Bahn den regionalen Verkehrsbetrieben auch faire Trassenpreise anbiete. Noch besser wäre es, wenn Netz und Betrieb nicht mehr allein in der Hand der Bahn lägen. Vielmehr sollte der Staat als Eigentümer des Netzes dieses an private Betreibergesellschaften verpachten.

Als Fortschritt für die Bahn sieht August Ortmeyer, Verkehrsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) in Berlin, dass sich die EU-Kommission und das Europäische Parlament auf einen Fahrplan für die Liberalisierung des Gütertransportes auf der Schiene geeinigt hat. So sollen im Jahr 2008 die Bahngesellschaften EU-weit auf allen Strecken Güter transportieren können.

Nichts hält Obermeyer dagegen von der Vorstellung, über eine Lkw-Maut den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu locken. "Diese Verlagerung funktioniert nur, wenn das Angebot der Bahn stimmt." Ansonsten würde allein der Lkw-Verkehr verteuert.

Karin Birk

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