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Wirtschaft: Gut gerührt ist sanft geschleckt

Bei minus 196 Grad wird Eis herrlich cremig – leider kann sich das kein Hersteller leisten

Ohne Mühe kein Genuss: je zarter eine Eiscreme auf der Zunge schmilzt, desto mehr Muskel- oder Motorarbeit steckt darin. Denn damit die flüssige Grundmasse im Kühlrohr der Eisfabrik nicht zu einem steinharten Block gefriert, müssen ständig große rotierende Messer hinein hacken und sich hindurch kämpfen. „Das ist das Schlagsahneprinzip“, erläutert Ute Sievert, Expertin für Eisherstellung bei Langnese. „Sobald Luft drunter kommt, wird daraus eine schöne lockere, cremige Masse.“

Das Rühren allein aber reicht nicht aus, um dem Eis eine weiche Konsistenz zu geben. Es muss dabei außerdem eine möglichst große Kälte herrschen, denn um so feiner werden dann die Eiskristalle. Gekühlt wird in der Fabrik bei minus 27 Grad Celsius – das ist die Temperatur des flüssigen Ammoniaks, das die Eisbehälter umspült. Noch geschmeidiger als durch Ammoniak würde das Eis mit Hilfe flüssigen Stickstoffs, der eine Temperatur von minus 196 Grad erreicht. Aber in der industriellen Speiseeisproduktion wurde Stickstoff nie verwendet, weil das viel zu aufwändig und teuer wäre. Angeblich hat nur der französische Koch André Daguin im Jahre 1976 einmal Stickstoff zur Zubereitung von Eiscreme verwendet. Die Konsistenz des Nachtischs soll absolut fantastisch gewesen sein.

Fast alle Eissorten enthalten neben Wasser auch Fett. „Vor dem Gefriergang müssen die Fette in der Eismasse möglichst fein und gleichmäßig verteilt sein“, erläutert Sievert. Dieser Vorgang nennt sich Homogenisieren. Am heimischen Herd geschieht dies durch schlichtes Aufkochen. In der industriellen Produktion schießt die kalte Mischung in einer Maschine mit hohem Druck durch einen engen Spalt. So werden die Fettkügelchen noch kleiner und das Eis schließlich noch cremiger. Nach der Deutschen Speiseeisverordnung darf vorher auch ein Emulgator dazugeschüttet werden. Er sorgt dafür, dass sich das Fett im Wasser auflöst.

Was sonst noch alles im Eis drinsteckt, zeigt der in der Verordnung bestimmte Name der jeweiligen Sorte an: Will sich das Eis mit dem Nachnamen „Krem“ schmücken, muss es mindestens zehn Prozent Milchfett enthalten, das aus Sahne oder Rahm gewonnen wird. Der Vorname „Frucht“ bürgt für mindestens ein Fünftel Fruchtanteil. Nur mit dem einfachen „Eis“ dürfen die Hersteller tun und lassen, was sie wollen – solange es nur gefroren ist.

Durch Zufall zu Waffel und Stiel

Erst nach dem Gefriergang wird das Speiseeis in der Fabrik portioniert: als Haushaltspackung, Rolle, Stieleis oder in der Waffel. Das Eis am Stiel soll übringens einem Zufall zu verdanken sein: Der Legende nach vergaß der Kalifornische Limonadenhändler Frank Epperson zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in einer frostigen Nacht ein Glas Limonade mit einem Löffel darin auf der Fensterbank. Anderntags musste er das Besteck freilutschen. Patentiert hat das Eis am Stiel aber erst Harry Burt aus Ohio im Jahr 1923. Er ließ Milcheismasse um ein Stöckchen herum frieren und glasierte sie dann mit Schokolade.

Die Erfindung der Eiswaffel reicht noch 20 Jahre weiter zurück: 1903 erhielt der Italiener Italo Marcioni in den USA ein Patent für Waffeln, in denen eine Mulde für Eis eingelassen war. Die Idee, Waffeln zu Tüten zu formen, kam dem Syrer Hamwi ein Jahr später auf der Weltausstellung in St. Louis. Er verkaufte dort Zalabia, eine dünne persische Waffel, die normalerweise mit Zucker verzehrt wird. An einem Nachbarstand wurde Speiseeis verkauft. Als den Eisverkäufern die Schälchen ausgingen, formte Hamwi seine Waffeln zu einem Kegel – die Waffeltüte war geboren. Heute wird die Waffel in der industriellen Produktion mit Schokolade ausgesprüht, weil sie sonst durchweicht.

Und damit die Waffel möglichst knusprig bleibt, darf auch das Eis nicht schmilzen. Um das zu erreichen, muss die Kühlkette lückenlos bleiben: vom Fließband in den auf minus 18 Grad gekühlten Lastwagen ins Supermarktregal und dann in die private Tiefkühltruhe des Kunden.

Christian Backe

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