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Wirtschaft: Gut getagt

Berlin liegt weltweit auf Platz vier der gefragtesten Tagungsorte – und die Kongressbranche erwartet ein weiteres Wachstum

Berlin - Der Tourismus-Boom in Berlin ist in aller Munde, dabei geht es aber meistens nur um Städtereisen. Weniger bekannt sind die Zuwächse im Tagungs- und Kongressgeschäft. Am Dienstag sprach Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Marketinggesellschaft Visit Berlin, von einem „versteckten Champion“. Weltweit stehe die deutsche Hauptstadt auf Platz vier der gefragtesten Veranstaltungsorte.

Nach einem Ranking der „International Congress & Convention Association“ gab es hier im Vorjahr 138 große Kongresse. Führend sind Wien (154), Barcelona (148) und Paris (147). Dafür liegen Singapur, London und Sidney hinter Berlin, das 2010 erst Platz neun belegte.

Diese Bilanz zogen die Tourismuswerber zum zehnten Jubiläum ihres Berlin Convention Office (BCO), das die Tagungsstätten weltweit bewirbt. Inklusive kleinerer Veranstaltungen wurde 2010 die Rekordzahl von 113 100 Tagungen erreicht, was einem Zuwachs von 24 Prozent seit 2001 entspricht. Die Teilnehmerzahlen stiegen um 116 Prozent auf 9,11 Millionen, jeder Fünfte kam aus dem Ausland (siehe Grafik). Zum Gesamtumsatz im Berlin-Tourismus – zurzeit jährlich rund neun Milliarden Euro – trug die Branche etwa 18 Prozent bei.

Trotzdem schöpfe die Stadt ihr Potenzial nicht aus, findet die Leiterin des BCO, Heike Mahmoud. Ein „limitierender Faktor“ bestehe darin, dass es mit dem Internationalen Congress Centrum (ICC) nur einen Ort für internationale Medizinerkongresse und ähnlich große Veranstaltungen gebe. Der Marktführer Wien zum Beispiel besitze drei Kongresszentren mit entsprechender Kapazität. Kieker wies auf die schlechte Anbindung an den weltweiten Flugverkehr hin: „Ein Harvard-Professor oder chinesische Fachbesucher möchten direkt einfliegen.“

Beide Hürden entfallen jedoch bald: Im Rahmen der ICC-Sanierung will die Messe Berlin, die 2010 ihr erfolgreichstes Geschäftsjahr erlebte, an der Stelle der Deutschlandhalle eine neue Halle für Ausstellungen und Tagungen bauen. Damit erhöht sich die Kapazität für große Kongresse beträchtlich. Das Problem mit internationalen Direktflügen soll die für Juni 2012 geplante Eröffnung des Flughafens BER in Schönefeld lösen.

Neben dem Messegelände am Funkturm sind Hotels die wichtigsten Tagungsstätten. Das Estrel in Neukölln ist mit 1125 Zimmern das größte deutsche Hotel und hat ein Convention Center mit Platz für bis zu 7000 Menschen. Laut Sprecherin Miranda Meier macht das Hotel mit Tagungen und Kongressen rund 70 Prozent seines Umsatzes. Dank der Stadtautobahn sei man für Passagiere aus Schönefeld „das erste große Hotel auf dem Weg in die Stadt“. Noch immer plant das Estrel ein zweites Kongresszentrum mit 10 000 Plätzen. Vor Jahren hatte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) dies wegen eines Shoppingcenters abgelehnt, das die Baukosten mitfinanzieren sollte. Aus Branchenkreisen heißt es nun aber, im Spätsommer könne eine veränderte Planung den Durchbruch geben.

Matthias Schultze vom „German Convention Bureau“ in Frankfurt am Main bestätigt die weltweite Bedeutung der Kongressstadt Berlin und nennt einen Grund dafür, dass sie nicht noch weiter vorn liegt: Es gebe „viel innerdeutsche Konkurrenz“, während sich das Geschäft in Österreich und Frankreich viel mehr auf die Hauptstädte konzentriere. Unter ausländischen Veranstaltern sei bundesweit München am beliebtesten. Cay Dobberke

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