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Wirtschaft: Gute Konjunktur, schlechte Jobs

Der Aufschwung bringt vor allem Teilzeitstellen. Experten fürchten, dass er an vielen Arbeitslosen ganz vorbeigeht

Berlin - Am kommenden Donnerstag werden in Nürnberg wieder Fakten vorgelegt. Nichts spiegelt die wirtschaftliche Situation besser wider als die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Auch im März rechnen Wirtschaftsforscher und Arbeitsmarktexperten mit einer Fortsetzung der positiven Entwicklung der vergangenen Monate, so könnte die Zahl der Erwerbslosen um rund 70 000 auf 4,15 Millionen gesunken sein. Das wären dann rund 800 000 weniger als vor einem Jahr.

Doch einige Experten warnen, die Beschäftigung entwickle sich im derzeitigen Aufschwung weniger günstig als vielfach angenommen. „Viele Unternehmen schrecken davor zurück, feste und sozial abgesicherte Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt Gustav Horn, Institutsleiter am gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Eher gingen viele Unternehmen dazu über, die anfallenden Aufträge verstärkt an Leiharbeiter und Selbstständige abzugeben. Im Vergleich mit dem letzten Aufschwung sei demnach insgesamt die gleiche Quantität bei geringerer Qualität festzustellen, meint Horn.

„Etwa 50 Prozent des Beschäftigungsaufbaus im vergangenen Jahr sind auf Leiharbeit zurückzuführen“, sagt Wilhelm Adamy, Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Bundesvorstand. „Diese Art der Beschäftigung ist prekär, weil das Risiko, in die Arbeitslosigkeit zu geraten, fünf bis sechsmal größer ist als in der Wirtschaft insgesamt.“

Bedenklich sei auch, dass Unternehmen mehr und mehr Teilzeitstellen aufbauten, von deren Einkommen man aber nicht allein leben könne. Diese Tendenz bestätigt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. So stieg die Zahl der Erwerbstätigen im vergangenen Jahr zwar um durchschnittlich 280 000 Personen, doch etwa 90 Prozent davon seien Teilzeitstellen. „Der Trend zum Zweitjob wird deshalb zunehmen“, schätzt Adamy. Jetzt schon hielten sich rund 150 000 Personen mit zwei sozialversicherungspflichtigen Jobs über Wasser.

„Es ist positiv, dass inzwischen auch mehr Teilzeitstellen angeboten werden“, sagt dagegen Achim Dercks, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). „Das kommt gerade vielen Eltern bei ihren Erwerbswünschen entgegen.“

Auch Hilmar Schneider vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) kann der jetzigen Form des Beschäftigungsaufbaus nur Positives abgewinnen. „Selbst Problemgruppen profitieren vom Aufschwung“, sagt Schneider. So würden inzwischen auch wieder mehr Leute eingestellt, die älter als 50 seien. Gleichzeitig nehme die Zahl der geringfügig Beschäftigten, der so genannten Mini-Jobber, nicht mehr so stark zu wie in den vergangenen Jahren – ihr Anteil ist 2006 nur leicht um 20 000 auf insgesamt 5,7 Millionen gestiegen.

Doch Gustav Horn vom IMK bleibt skeptisch. Er glaubt nicht, dass auch schwerer vermittelbare Arbeitlose vom Aufschwung profitieren. „Das Nachsehen haben weiterhin die gering Qualifizierten am unteren Rand des Arbeitsmarktes“, sagt er.

„Es ist doch klar, dass zu Anfang einer Aufschwungphase erst einmal die Fachkräfte gefragt sind“, hält Schneider dagegen. Wenn die Konjunktur stabil bleibe, würden aber auch zunehmend andere profitieren, und danach sehe es derzeit aus. Zugleich könnten Unternehmen dann auch wieder stärker auf Zeitarbeit verzichten und trauten sich, wieder mehr Leute langfristig und voll abgesichert zu beschäftigen.

Die Zahl der Vollzeitjobs werde in diesem Jahr seit 1999 erstmals wieder steigen, sagt auch Wilhelm Adamy vom DGB. „Der Anstieg wird vermutlich zwischen 30 000 bis 50 000 liegen.“ Außerdem werde das Risiko, entlassen zu werden, weiter abnehmen.

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