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Wirtschaft: Gute Preise, gute Besserung?

Die Inflation hat ihren Höhepunkt offenbar überschritten. Trotzdem bleibt die Zinspolitik umstritten

Berlin – Die aktuellen Daten scheinen Joseph Stiglitz recht zu geben. „Inflation ist wirklich nicht das drängendste Problem in Europa, der Kontinent befindet sich klar in einem wirtschaftlichen Aufschwung“, sagte der US-Wirtschaftsnobelpreisträger in einem am Montag im „Handelsblatt“ erschienenen Interview. Und am selben Tag veröffentlichte das Statistische Bundesamt vorläufige Zahlen, wonach die Verbraucherpreise im August im Jahresvergleich um 2,3 Prozent gestiegen sind – also um ein Zehntelprozent langsamer als im Juli.

In der Hauptstadtregion ist die Entwicklung zwar noch etwas günstiger. Die jährliche Teuerungsrate verlangsamte sich dort im August auf 2,1 Prozent nach 2,2 Prozent im Juli, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in Potsdam mit. Doch liegt die Inflationsrate damit immer noch über der für die Europäische Zentralbank (EZB) kritischen Schwelle bei rund zwei Prozent. Und in der Euro-Zone insgesamt dürfte sich der Anstieg der Verbraucherpreise von 2,5 auf 2,6 Prozent sogar leicht beschleunigt haben, erwarten Analysten vor der offiziellen Vorstellung dieser Daten am Mittwoch.

Stiglitz stößt mitten in eine hochpolitische Debatte. Denn die EZB hatte im Kampf gegen Inflation im Juli schon zum zweiten Mal in diesem Jahr die Zinsen angehoben. „Ich denke, die EZB sollte ihre beiden Zinserhöhungen rückgängig machen“, forderte der US-Ökonom. Folgte die EZB seinem Rat, hätten der Euro-Raum und die USA wieder das gleiche Zinsniveau – diesen Gleichschritt wünscht Stiglitz sich.

So weit gehen hiesige Volkswirte nicht, auch wenn sie die Ausgangslage ähnlich beurteilen. „Die Zahlen sind ein weiteres Zeichen, dass die Inflation in diesem Jahr ihren Höhepunkt längst überschritten hat. Inflation kann daher für die EZB auch kein Thema mehr sein: Kurz- bis mittelfristig muss sie sich jedenfalls keine Sorgen machen“, sagte Sebastian Wanke von der Deka-Bank. „Wir haben den Höhepunkt der Inflation überschritten“, sagte auch Lothar Hessler von HSBC Trinkaus. „Die EZB muss ihren Leitzins vorerst nicht weiter antasten.“ Andere Analysten sehen schon einen breiteren Trend zu sinkenden Preisen, nicht nur bei Energie.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Wochenende erklärt, die Angst vor stark steigenden Preisen sei unbegründet. „Es gibt keine Anzeichen für eine sich ausweitende Inflation“, sagte sie in einem Interview. Der Euro müsse eine stabile Währung bleiben, dieser Linie folge die EZB und bekämpfe die Inflation.

Die Bedeutung des Euro schätzt Stiglitz so wie die Kanzlerin ein. Die Sehnsucht vieler Deutscher nach der D-Mark sei grundfalsch. „Deutschland scheint noch nicht verstanden zu haben, mit welchen massiven ökonomischen Kosten ein Ende des Euro verbunden wäre. Das wäre auch für die deutsche Wirtschaft eine Katastrophe“, sagte er. Wenn aber die Euro-Zone doch auseinanderbreche, „wäre es unter dem Strich besser, wenn Deutschland die Währungsunion verließe, als Griechenland rauszuwerfen“.

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