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Gleiche Rechte. Mehr als 70 Prozent der Menschen in Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu Bankleistungen. Mikrofinanzfirmen springen ein. Die Rückzahlungsraten der Kredite liegen bei 95 bis 98 Prozent – davon kann manche Sparkasse nur träumen. Foto: Reuters

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Wirtschaft: Gutes Geld

Mikrofinanzfonds bieten solide Renditen – und leisten Entwicklungshilfe.

„Investor sein. Und Gutes tun“, werben die einen. Eine „doppelte Rendite“ für sich und für Arme versprechen andere. Allen gemein ist die Überzeugung, dass sich Profit und Mildtätigkeit nicht zwangsläufig ausschließen. Weltweit sind deshalb in den letzten Jahren Mikrofinanzfonds gegründet worden: Sie poolen Gelder von Anlegern und verteilen sie mit Hilfe örtlicher Organisationen als Kleinstkredite gegen Zinsen an Arme.

Mehr als 70 Prozent der Menschen in Entwicklungsländern haben keinerlei Zugang zu Bankleistungen, können kein Geld gegen Zinsen zurücklegen, keinen Kredit beantragen. Gleichzeitig leben 1,4 Milliarden Menschen, ein Fünftel der Weltbevölkerung, von weniger als 1,5 Dollar pro Tag. Viele bräuchten nur 50 oder 100 Dollar, um ihrer Armut aus eigener Kraft zu entkommen. Etwa durch den Kauf eines Stücks Land, einer Nähmaschine oder eines Marktstandes. Doch als Arme ohne Sicherheiten sind sie nicht kreditwürdig, was Kredithaie mit Zinssätzen von mehreren 100 Prozent pro Monat ausnützen.

Hier schalten sich Mikrofinanz-Unternehmen ein. Mehr als 70 Milliarden Dollar haben Investoren weltweit inzwischen lockergemacht, um über Minikredite von teilweise nur 50 Dollar Menschen mit Tatkraft und guten Ideen aus der Armutsfalle zu helfen – und gleichzeitig selbst Renditen zu erzielen.

Drei der zehn größten Mikrofinanzfonds verwaltet die Schweizer Responsability AG, darunter den Global Microfinance Fund (ISIN LU0180190273), der seit 2003 auf dem Markt und in Euro, Dollar und Schweizer Franken erhältlich ist. Responsability strebt einen Gewinn als „soziale Rendite“ an, der über dem Niveau auf den Geldmärkten liegen soll. Für 2011 waren es 2,3 Prozent. Mit ihrem Geld erreichten die Anleger 16 Millionen Kleinstkreditnehmer in 55 Ländern. 4,43 Prozent erzielte der „Dual Return Fund-Vision Microfinance“ der österreichischen Vermögensverwaltung Absolute Portfolio Management auf Jahressicht und versorgt umgekehrt derzeit 91 239 Kleinstunternehmer zwischen dem Kaukasus und Südamerika mit Geld.

Als erster in Deutschland stationierter und von der Bankenaufsicht Bafin kontrollierter Fonds ging im November nach der gesetzlichen Lockerung der „Invest in visions Microfinance Fonds“ (ISIN DE000A1H44T1) an den Start. Seit Sommer 2011 dürfen Fonds bis zu 95 Prozent ihres Vermögens in unverbriefte Darlehensforderungen von regulierten Mikrofinanzinstituten anlegen. Gemanagt wird der Fonds von „Connective Capital“, einer Tochter der privaten Finanz-Hochschule „Frankfurt School of Finance and Management“, die sich für ethisch korrekte Investments einsetzt.

Udo Steffens, Präsident der School und von 1989 bis 1992 selbst im kirchlichen Entwicklungsdienst in Togo und Kamerun tätig, glaubt, dass Wohlstand nicht importierbar sei. Die traditionelle Entwicklungshilfe, die direkte Almosen verteilt, lähme Eigeninitiative und verzögere Reformen. Mikrofinanz-Modelle beteiligten die Menschen viel stärker an Entscheidungen, die sie selbst beträfen. Damit werde eine kluge und nachhaltige Entwicklungsarbeit in Gang gesetzt, die sich auf lange Sicht selbst überflüssig mache.

Der neue Fonds verfüge über Einlagen von neun Millionen Euro, erhoffe sich aber mittelfristig 40 bis 50 Millionen Euro, sagt Omid Saz, Geschäftsführer von Connective Capital. Investoren könnten ab 100 Euro einsteigen und mit einer Jahresrendite von drei bis vier Prozent rechnen. Von den Kleinkreditnehmern berechnen der Fonds beziehungsweise die Mikrofinanzfirmen vor Ort „Zinsen von zwei bis drei Prozent pro Monat“. Diese Sätze lägen deutlich unter den Marktstandards in den Ländern, wo Zinsen von zehn Prozentpunkten über der Inflationsrate normal sind. Die Kontrolle der Geschäftsmodelle und der Mikrofinanzinstitute ist für Connective Capital wichtig. Saz: „Wir fahren regelmäßig zu unseren Kreditpartnern, kontrollieren die Portfolios und wählen auch stichprobenartig aus der Kartei einzelne Kreditkunden aus, besuchen und befragen sie.“

Der Hintergrund: Seit 2009 häufen sich Berichte vor allem aus Indien, wonach lokale Mikrofinanzfirmen zur Profitmaximierung horrende Zinsen verlangt und nicht wenige überschuldete Kleinkreditnehmer in den Selbstmord getrieben hätten. Missbrauch und fragwürdige Geschäftsmodelle seien möglich, wenn nicht ausreichend kontrolliert werde, weiß Saz. Dennoch bleibt Mikrofinanz „die kostengünstigste und effizienteste Möglichkeit der Entwicklungszusammenarbeit“, wie die KfW-Förderbank, einer der größten Akteure in diesem Bereich, bestätigt. Mikrokredite, glaubt auch die UNO, stellten die Armen auf eine Stufe mit Reicheren, indem sie ihnen gleiche Rechte und Pflichten beim Geldmanagement einräumten. Die Rückzahlungsraten der Kredite liegen bei 95 bis 98 Prozent – Werte, von denen manche Sparkasse träumen kann.

„Unsere Kredit-Portfolien“, sagt Saz, „sind sehr gesund.“ Gleichwohl müsse der Anleger wissen, dass er eine „soziale Rendite“ erhalte und das Geld „eine Weile liegenlassen muss“. Renditeversprechungen von Wettbewerbern, die mit Sätzen von über neun Prozent winken, weisen seriöse Anbieter weit von sich.

Einen anderen Weg geht Oikocredit, eine international tätige Genossenschaft mit Hauptsitz in den Niederlanden und bereits in den 1970er Jahren auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen gegründet. Ab 200 Euro können Privatkunden einen Genossenschaftsanteil kaufen und dem Unternehmen damit Gelder für Kredite in Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Jedes Jahr erhalten sie dafür eine Dividende von zwei Prozent. In der Region Berlin-Brandenburg hat Oikocredit 917 Mitglieder, davon gut 800 private Anleger, 59 Gemeinden und Diözesen sowie 21 Organisationen, die insgesamt gut 9,5 Millionen Euro eingezahlt haben. Unter dem Motto „In Menschen investieren“ hat Oikocredit weltweit inzwischen deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro eingeworben – Geld, das an mehr als 26 Millionen Menschen von Indien über Bolivien bis nach Kambodscha weitergereicht wurde. 84 Prozent von ihnen sind Frauen.

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