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Wirtschaft: Händler fürchten Preisdiktat der Konzerne

175 000 Lebensmittelhändler bedroht / Markenverband warnt FRANKFURT (MAIN) (ro).Die Konzentration im deutschen Einzelhandel ist nach Ansicht des Markenverbandes so weit fortgeschritten, daß sie die mittelständischen Unternehmen im Handel und in der Industrie immer stärker gefährdet.

175 000 Lebensmittelhändler bedroht / Markenverband warnt FRANKFURT (MAIN) (ro).Die Konzentration im deutschen Einzelhandel ist nach Ansicht des Markenverbandes so weit fortgeschritten, daß sie die mittelständischen Unternehmen im Handel und in der Industrie immer stärker gefährdet.Grund: Das wachsende Preisdikat der großen Handelsketten."Im deutschen Einzelhandel wird dreister denn je bei Lieferanten und Markenartikelherstellern abkassiert." Wenn sich nichts ändere, müßten bis zum Jahr 2010 rund 175 000 vorwiegend mittelständische Einzelhandelsgeschäfte aufgeben, heißt es beim Markenverband, der Branchenorganisation der Markenartikelhersteller.Die Organisation fordert deshalb das Eingreifen des Gesetzgebers.Die von der Bundesregierung geplante Novellierung des Kartellgesetzes sei zwar ein wichtiges Signal, im Blick auf die Probleme im Handel aber nur ein "Torso".Die "explodierende" Nachfragemacht, so Markenverband-Geschäftsführer Horst Prießnitz, führe für die Industrie als Lieferant zu einem immer stärkeren Druck bis hin zum "Preis- und Konditionendiktat".Dabei hat Prießnitz, wie er am Montag in Frankfurt betonte, vor allem Einzelhandelsriesen wie Metro, Rewe, Edeka, Aldi oder Tengelmann im Auge.Jüngstes Beispiel für die Gepflogenheiten im Handel: Nach der Übernahme des Handelsriesen Wertkauf durch den US-Giganten Wal Mart vor wenigen Wochen für gut 2,4 Mrd.DM forderten die Amerikaner von den 100 Wertkauf-Lieferanten zwei Prozent des jährlichen Umsatzes als "Hochzeitsbonus" - ohne Gegenleistung.Dieses branchenintern als "Anzapfen" bezeichnete Vorgehen ist mittlerweile offenbar im Handel weit verbreitet."Für den Markenverband ist dies nichts anderes als Erpressung", kommentierte Prießnitz.In anderen Fällen sei es bei Fusionen üblich, die günstigsten Lieferkonditionen eines der beiden Partner sogar rückwirkend für die neue Firma zu verlangen."Jede Großfusion kostet die Industrie mittlerweile Milliarden", klagt Prießnitz.Andererseits ist auch der Druck im Handel selbst mittlerweile so groß, daß Markenartikel unter Einstandspreis verkauft werden, um überhaupt noch zu wachsen oder die Konkurrenz zu verdrängen.Mit dieser Lockvogel-Strategie würden nicht nur Mittelständler im Handel ausgeschaltet, sondern auch der mit hohen Investitionen aufgebaute Wert eines Markenartikels geradezu "verhämmert".Damit die Lage nicht noch weiter eskaliert, muß die Novelle des Kartellgesetzes nach Ansicht des Markenverbandes in drei Punkten verschärft werden: Schleuderpreis-strategien sollen strikt untersagt werden, der Einstandspreis soll gesetzlich definiert sein.Zum zweiten soll Verbänden und Markenherstellern in Fällen des "Anzapfens" ein Auskunftsanspruch gegen Handelsriesen zugestanden werden.Schließlich soll schon die "Aufforderung" zur Gewährung von Vorzugsbedingungen verboten werden.Die Verschärfung der Gesetze sei auch unerläßlich, weil sich die Konzentration im Handel in rasanten Schritten fortsetzt: Die zehn größten Lebensmittelhändler halten derzeit einen Marktanteil von fast 85 Prozent, die drei größten sogar 50 Prozent.In fünf Jahren spätestens dürften die fünf größten Unternehmen 75 Prozent des Marktes kontrollieren.

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