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Wirtschaft: HandwerkwillKrankentagemitUrlaub verrechnen

Die Gewerkschaften sind über den Vorschlag empört – doch auch der Einzelhandel fordert Änderungen bei den freien Tagen

Berlin - Der Zentralverband des Deutschen Handwerks fordert, dass künftig Krankheitstage mit dem Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern verrechnet werden sollen. Dadurch sollen die Arbeitskosten für die Unternehmen gesenkt werden. „Eine solche Regelung ist ein absolutes Muss“, sagte Handwerkspräsident Otto Kentzler. Die Gewerkschaften machten allerdings deutlich, dass sie keine Eingriffe in die Lohnfortzahlung dulden werden. „Ich kann niemandem empfehlen, hier Hand anzulegen“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer am Sonntag. Schließlich hätten die Gewerkschaften die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in langen Streiks erkämpft. VerdiChef Frank Bsirske nannte Kentzlers Forderung eine „abstruse Idee“. „Hinter dem Vorstoß des Handwerks steckt letztlich nichts anderes als die Absicht, die Arbeitszeiten zu verlängern“, sagte Bsirske dem Tagesspiegel.

Urlaub müsse erwirtschaftet werden, begründete Handwerkspräsident Kentzler im Nachrichtenmagazin „Focus“ seinen Vorstoß. Zudem denke er bei der Verrechnung von Krankheits- mit Urlaubstagen nicht an ein Verhältnis von eins zu eins. Als Beispiel nannte Kentzler den bayerischen Manteltarifvertrag für Konditoren. Darin sei bereits vorgesehen, für je fünf Krankheitstage einen Urlaubstag zu streichen mit einem maximalen Urlaubsverlust von drei Tagen pro Jahr. „Der Jahresurlaub ist zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und nicht zum Auskurieren von Krankheiten gedacht“, kritisierte Bsirske. Ohnehin hätten die Krankheitszeiten von Arbeitnehmern in Deutschland in einem erschreckenden Maße abgenommen. „Die Menschen sind nicht weniger krank, sondern sie gehen trotz Krankheit zur Arbeit, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben“, sagte Bsirske. Bei der IG-Metall sieht man das genauso. „Angesichts der niedrigen Krankenstände ist das Ansinnen des Handwerkspräsidenten moralisch verwerflich“, sagte IG-Metall-Sprecher Georgios Arwanitidis dem Tagesspiegel. Offenbar habe die Aussicht auf einen Regierungswechsel Herrn Kentzler alle Hemmungen verlieren lassen.

Studien belegen, dass sich immer weniger Deutsche krank melden: Nach Erhebungen der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) ist der Krankenstand im vergangenen Jahr erneut gesunken – und zwar auf 3,2 Prozent gegenüber 3,5 Prozent im Vorjahr. Dabei war die Zahl der Krankmeldungen in Berlin am höchsten. Isngesamt aber war es der niedrigste Wert seit 1998. Über die Hälfte der berufstätigen DAK-Mitglieder war 2004 kein einziges Mal krank. DAK-Chef Herbert Rebscher begründete die sinkenden Krankmeldungen ebenfalls mit der Angst der Menschen um ihren Arbeitsplatz.

Das Handwerk ist allerdings nicht die einzige Branche, die an die Urlaubsregelungen ran will – auch der Einzelhandel fordert Änderungen. „Sonderurlaube sollten komplett gestrichen werden“, sagte Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels, dem Tagesspiegel. Zusätzliche Urlaubstage für Hochzeit, Beerdigungen oder Umzüge seien angesichts von 28 bis 30 Tagen Jahresurlaub ein Luxus, den sich die Wirtschaft nicht mehr leisten könne. Ebenso sollten die Brückentage zur Disposition gestellt werden.Wenn Arbeitnehmer mit nur einem Urlaubstag fast eine ganze Woche freinehmen könnten, dann sollte der Feiertag auch als Urlaub angerechnet werden, sagte Pellengahr. „Das bedeutet nicht, dass wir die Feiertage abschaffen wollen.“ Zur Forderung des Handwerks- präsidenten sagte er, grundsätzlich stehe der Einzelhandel hinter der Idee, die Arbeitszeiten zu verlängern. „Mehrarbeit ist besser als Gehaltskürzungen“, sagte er. Denn die gingen zu Lasten des Konsums.

Dagmar Rosenfeld

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