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Wirtschaft: Hans-Olaf Henkel: Wider die Bequemlichkeit

Manche Menschen verändern sich mit den Ämtern, die sie ausüben. Einigen ist es zum Abschied dann ein Bedürfnis, Dinge zurechtzurücken oder Scherben zu kitten, die in Ausübung des Amtes entstanden sind.

Manche Menschen verändern sich mit den Ämtern, die sie ausüben. Einigen ist es zum Abschied dann ein Bedürfnis, Dinge zurechtzurücken oder Scherben zu kitten, die in Ausübung des Amtes entstanden sind. Auf Hans-Olaf Henkel, der in Kürze sein Amt als BDI-Präsident aufgeben wird, trifft beides nicht zu. Henkel hat in den vergangenen sechs Jahren mit seinen wirtschaftspolitischen Thesen fast alle Vertreter der deutschen Konsensdemokratie gegen sich aufgebracht. Und er bedauert nichts. Der schneidige Hanseat - seine Leidenschaft ist seit Jugendtagen das Segeln - hält Kurs.

Der markanteste Konflikt begann schon 1992, drei Jahre bevor er das Ehrenamt beim Bundesverband der Deutschen Industrie übernahm. Henkel war Chef der IBM Deutschland GmbH und unter allen Umständen entschlossen, seinem Unternehmen die soeben tariflich fixierte 35-Stunden-Woche zu ersparen. Dass die IG Metall Widerstand leistete, lag nahe. Doch verständnislos reagierte auch der Chef des zuständigen Arbeitgeberverbands: Dieter Hundt. "Mein Respekt vor gewissen Personen und Organisationen", so Henkel, "war mit einem Schlag dahin." IBM verließ den Verband, und Henkel hat den Respekt nicht wiedergewonnen. Die Reibereien zwischen ihm und Hundt, seit 1997 Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), sind vielmehr zum prägenden Element für das Verhältnis der beiden Spitzenverbände geworden. Dem teuren Metall-Tarifabschluss von 1995 folgte der Streit um die Lohnfortzahlung für Kranke.

Wo Hundt in Kanzlerrunden und Bündnisgesprächen den Konsens mit Gewerkschaften und Regierung suchte, vertrat Henkel die reine Lehre. Und ist - trotz Reibereien auch mit Unternehmern - stolz darauf: "Heute findet sich in Deutschland wohl kaum ein Verband, der ordnungspolitisch so sauber argumentieren würde wie der BDI." Überhaupt sieht sich Henkel in der Rolle des ungeduldigen Mahners bestätigt, seien doch viele seiner politischen Tabubrüche inzwischen selbstverständliche Themen der Tagespolitik. Umso mehr, bekennt er, ärgerten ihn "die Bequemlichkeit und satte Selbstzufriedenheit vieler Leute in Industrie und BDA." Nein, einen aktiven Beitrag zur Versöhnung leistet Henkel mit seinen Lebenserinnerungen nicht.

Trotzdem hat er alles andere als ein Buch der Abrechnungen und Rechtfertigungen verfasst. Henkel setzt die durchaus persönlich gehaltene Schilderung seines Lebenswegs dem verbreiteten Image vom kaltherzigen, selbstgewissen Industrie-Lobbyisten entgegen, ohne es dabei ganz zu entkräften: Henkel als ungeduldiger Lobbyist für Freiheit und Wettbewerb - aber nach eigenem Verständnis nicht aus verbandspolitischem Interessenkalkül, sondern aus gesellschaftspolitischer Überzeugung. Alles weitere ist dann eine Frage der Methode.

Wenn Henkel sein Buch heute in Berlin von Wolfgang Schäuble präsentieren lässt, so ist das für ihn die Würdigung eines geistigen Verwandten. In Schäuble erkennt Henkel nicht nur "einen der klarsten Denker und mutigsten Politiker unseres Landes", sondern zugleich, trotz Kohls Spendenaffäre und trotz Schäubles Rücktritt, den wichtigste Hoffnungsträger der CDU. Gleich dreimal kürt er ihn zum besten Anwärter auf die nächste Kanzlerkandidatur.

"Gegen den Strom" sollte Henkels Buch ursprünglich heißen. Zu persönlich? Zu pessimistisch? "Die Macht der Freiheit" erschien Verlag und Autor wohl als überzeugendere, weil programmatischere Alternative für einen Liberalen, der unbeirrt auf dem goldenen Mittelweg gesellschaftlicher Verantwortung sieht.

Dietrich Creutzburg

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