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Wirtschaft: Hans Wall will Moskau schöner machen

Der Berliner lässt Stadtmöbel von einem russischen Architekten entwickeln und plant eine Fabrik an der Moskwa

Berlin - Wer könnte diesem Mann etwas abschlagen. Der Bürgermeister von Moskau jedenfalls nicht. Denn Hans Wall hat Großes vor, er will die russische Hauptstadt „schöner und reicher machen“. Wie er das macht, hat er Bürgermeister Juri Luschkow vor fünf Wochen in den Hackeschen Höfen erklärt. Dort ist nämlich im Hinterhof das Büro von Sergei Tchoban. Und Tchoban, 1962 in St. Petersburg geboren und seit 15 Jahren in Berlin, ist Architekt. Im Auftrag von Wall hat er eine Stadtmöbelfamilie für Moskau entworfen. Der Auftraggeber freut sich schon, obwohl der Zuschlag noch nicht erteilt ist. „Für uns ist das eine Ehre, als Deutsche die Weltmetropole Moskaus auszustatten.“ Damit das auch wirklich klappt, hat er nicht nur einen gebürtigen Russen mit dem Entwurf betraut und den Bürgermeister mit dem Architekten bekannt gemacht. Wall verspricht den Moskauern auch Geld und Arbeitsplätze.

Ein kleiner Mittelständler aus Berlin nimmt sich der russischen Hauptstadt an. Berlin, so sagt Hans Wall, der 1984 eine Ausschreibung der Berliner Verkehrsbetriebe gewann und seitdem hier wirkt, profitiere ordentlich von ihm. So flössen jedes Jahr zehn Millionen Euro seiner Werbeeinnahmen in die Landeskasse. Das sei auch in Moskau möglich. Mindestens.

Wall war schon früh dort. „1993 habe ich gleich meine schönste Wartehalle da aufgestellt“, natürlich beste Lage, am Roten Platz. Und der findige und zähe Unternehmer hat sich nicht vertreiben lassen von Attacken und juristischen Finessen der einheimischen Konkurrenz. „Wir sind durch alle Instanzen gegangen und haben gewonnen“, sagt Wall und kommt deshalb zu einer eher ungewöhnlichen Einschätzung: „Es gibt Rechtssicherheit in Russland. Wer da Probleme hat, der hat Dreck am Stecken.“

Inzwischen hat Wall rund 1000 Plakatflächen in Moskau aufgestellt und ist „stolz, das Ganze ohne einen Pfennig Bestechungsgeld“ geschafft zu haben. Bei der Unterzeichnung des ersten Vertrags „haben sich die Tische gebogen“, voll mit Speisen und Getränken der Gastgeber. Wall trank Wasser. Heute beschäftigt der 64-jährige Werbepionier in Moskau 40 und in St. Petersburg 20 Leute, macht ein paar Millionen Werbeumsatz und „schöne Gewinne“. Als Wall-Chef in Russland kümmert sich ein früherer Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes der DDR mit Geschick und guten Kontakten um die Geschäfte vor Ort. Dazu gehören demnächst auch zehn Toiletten.

Im vergangenen Herbst, als der Bürgermeister Luschkow Düsseldorf besuchte, ließ Wall eine seiner rund 200 000 Euro teuren Toiletten an den Rhein transportieren und vor dem Hotel der Moskauer Delegation aufbauen. Das ist Marketing eines findigen Mittelständlers. Ende dieses Jahres, so denn alles klappt, sollen die ersten zehn Toilettenhäuschen mit einer Antonov nach Moskau fliegen. Wall liefert umsonst, stellt auf eigene Rechnung auf und wartet die Toiletten. Im Gegenzug gibt es Plakatflächen, die er vermarkten kann. In Berlin stehen 200 Wall-Toiletten, den Bedarf in Moskau schätzt er auf 500. Damit die neuen, selbst reinigenden und behindertengerechten Klohäuser auch den Moskauer Winter aushalten, hat Wall ein Exemplar in einer Bremer Kältehalle getestet. Auch bei minus 40 Grad funktionierte alles prächtig.

Den Bedarf an Wartehallen und Bushäuschen in Moskau veranschlagt Wall auf 2000. Er würde die zu gerne in Moskau in einer neuen Fabrik bauen. Dafür fordert er die exklusive Plakatvermarktung und ködert die Stadtoberen mit einer exklusiven Produktlinie. Wall argumentiert mit der Qualität seiner Produkte. Auch deshalb, „weil die werbetreibende Wirtschaft mehr zahlt, wenn die Produkte schön sind“.

Architekt Tchoban, der in Berlin unter anderem das Dom-Aquarée entworfen hat, spricht von „rhythmischen Formen und kontrastierenden Farben“, die seine Stadtmöbelfamilie prägen. Über Wall staunt er noch immer. „Ich habe selten einen Auftraggeber gehabt, der mit so großer Begeisterung dabei ist.“ Und Hans Wall ist seinerseits „begeistert, dass ich dabei sein darf und solche interessanten Leute kennen lerne“. Beide sind optimistisch, bald die Wartehäuschen und Schautafeln in Moskau aufstellen zu dürfen. Schließlich haben die Modelle Bürgermeister Luschkow gefallen. „Die wollen ihre Stadt schöner machen“, sagt Wall. Und dafür ist er der richtige Mann. Wie schon 1999, als er sensationell den Möblierungsauftrag von und für Boston bekam. „Unsere Produkte sollen 20 Jahre in der Stadt gut aussehen, da kann man keinen Firlefanz machen.“ Mit den Russen sowieso nicht, die seien sehr kritisch und anspruchsvoll, erzählt Wall.

Damit alles klappt, werden die Modelle Tchobans im Herbst in Moskau ausgestellt. Der Chef selbst, zweifellos der beste Vermarkter seiner Produkte, ist „ständig“ in Moskau. Und er platzt bald vor Vorfreude, wenn er sich seine Wartehallen an der Moskwa vorstellt, dazu aus einem eigenen Werk vor Ort. „Dann ziehe ich vor mir selber den Hut.“

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