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Multimillionär und Sozialdemokrat: Harald Christ.

© Mike Wolff

Harald Christ: Gegenentwurf zu Thilo Sarrazin

"Deutschlands ungenutzte Ressourcen": Harald Christ fordert mehr Zuwanderung und eine neue Kultur der Selbstständigkeit. Sein Buch wird hoch gelobt - enthält aber wenig Überraschendes.

Der Berliner Multimillionär und Sozialdemokrat Harald Christ genießt bei seinen prominentesten Parteifreunden höchstes Ansehen – das zeigt sich an den Stimmen, mit denen für sein Buch „Deutschlands ungenutzte Ressourcen – Aufstieg und Bildung für alle“ geworben wird. Am Mittwoch wird es in Berlin öffentlich vorgestellt, und selbst Altkanzler Helmut Schmidt lässt sich mit großem Lob zitieren: „Harald Christ zeigt in seinem Buch eindrucksvoll, dass wir bei Bildung und Ausbildung, bei der Förderung von Innovationen und Spitzenleistungen die notwendigen Reformen noch nicht umgesetzt haben.“ SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hebt hervor: „Harald Christ lamentiert nicht, er sucht nicht nach Schuldigen, sondern liefert Lösungen.“ Andrea Nahles, Klaus Wowereit und Peter Struck stimmen in das Lob ein, und Franz Müntefering steuert einen seiner Kurzsätze bei: „Harald Christ hat recht.“ Womit sich zwei Fragen stellen: Was sagt Harald Christ in seinem Buch? Und wer ist er eigentlich, dass er so viel demonstrative Wertschätzung erfährt?

Denn das Buch bietet keine wirklich überraschenden Erkenntnisse. Christs These ist, dass angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels Bildung ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist. Deutschland gelte als ein Volk der Erfinder, werde aber zunehmend abgehängt. Christ fordert mehr Zuwanderung, eine neue Kultur der Selbstständigkeit und ein Bundesinnovationsministerium, er kritisiert das föderale System im Bildungsbereich, wendet sich gegen das dreigliedrige Schulsystem und reichert seinen 248-seitigen Text mit einer Fülle von Statistiken, Zitaten und Studienergebnissen an.

Es ist in Duktus und Inhalt eine Art Gegenentwurf zu „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin, einem anderen Berliner Sozialdemokraten. Und vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum die SPD-Granden so geschlossen für Christ werben. Ein weiterer ist die Vita des 39-Jährigen: Die Partei hat nicht so viele Unternehmer mit Stallgeruch. Aus kleinen Verhältnissen kommt er, der Vater Arbeiter bei Opel, die Mutter Hausfrau. Er lernte Industriekaufmann, ging dann in den Vertrieb einer Bausparkasse, von dort zur Deutschen Bank. Schließlich wurde er Vorstand des Fondsanbieters HCI und handelte eine hohe Beteiligung aus. Als HCI im Herbst 2005 an die Börse ging, nahm er rund 40 Millionen Euro ein. Seine restlichen Anteile verkaufte er zwei Jahre später für weitere 40 Millionen Euro. Nach Berlin kam er 2008, um Chef der Weberbank zu werden, woraus dann nichts wurde. Er kündigte und kümmert sich heute vor allem um seine Investments, die SPD und jetzt auch um sein Buch. Der politische Durchbruch fehlt noch: Er war in der Hamburger SPD aktiv, in Steinmeiers Schattenkabinett 2009 für Wirtschaft verantwortlich und amtiert derzeit als Kassierer der Berliner SPD. Aber was nicht ist, kann ja noch werden – bei den prominenten Parteifreunden sowieso.

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