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Auftanken. Carjump, ein Start-up aus Berlin, hat viel Risikokapital bei Investoren eingesammelt und will Carsharing einfacher machen.

© picture alliance / dpa

Hauptstadt ist Deutschlands Gründer-Metropole: Platz da: Berlin deklassiert München

Mehr als die Hälfte des Geldes für junge Technikfirmen fließt in die Hauptstadt, ergibt eine neue Studie. Und es könnte noch weitaus mehr sein.

Jetzt ist endlich Geld da. Mehr als 100.000 Euro liegen seit kurzem auf dem Konto von Oliver Mackprang, 26, und seinen Leuten. Ein knappes halbes Jahr haben sie gebraucht, um diese Summe zusammenzubekommen. Was man mit so viel Geld macht? „Wir entwickeln Dienstleistungen, mit denen Carsharing einfacher wird und die Auslastung der Autos steigt“, erzählt Mackprang. „Stehende Autos sind für keinen gut, sie kosten Parkgebühren und bringen keinen Umsatz.“

Carjump heißt das Unternehmen, das Mackprang zusammen mit zwei Freunden gegründet hat. Anfang 2013 sind sie an den Start gegangen, jetzt haben sie erstmals Geld von Investoren bekommen – Risikokapital. Eine App ist schon auf dem Markt, sie zeigt Carsharing-Nutzern, wo gerade freie Autos herumstehen. Weitere Anwendungen sollen folgen.

Firmen wie Carjump sind beliebt bei Geldgebern, denn sie kommen aus Berlin und setzen auf digitale Technik. In keine deutsche Stadt fließt derzeit mehr Risikokapital – über die Hälfte der hierzulande für diese Branche zur Verfügung gestellten Mittel ging 2012 an Firmen aus Berlin. Das zeigt eine noch unveröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die dem Tagesspiegel vorliegt. Von den knapp 241 Millionen Euro, die insgesamt als Venture Capital (VC) zur Verfügung standen, bekamen Berliner Firmen mehr als 133 Millionen Euro ab. Im ersten Halbjahr 2013 habe sich der Trend fortgesetzt, schreibt das arbeitgebernahe IW. „Die Start-up-Szene hat sich in den letzten drei Jahren von München nach Berlin verlagert“, haben die Forscher beobachtet. Noch 2009 lag die bayerische Metropole vorne, nun ist sie abgeschlagen. „Berlin ist auf dem Weg zum führenden deutschen VC-Standort“, lautet das Fazit der Studie.

Die vergleichsweise günstigen Preise, die Coolness der Stadt, die kulturelle Vielfalt, ihr Ruf als einzige Metropole der Republik – die Gründe für den Aufschwung der Gründerszene in Berlin sind nicht neu. Vor allem Risikokapital habe diesen Boom angefacht, nimmt das IW an. Dennoch sei noch unsicher, ob es sich nicht nur um einen „temporären Effekt aufgrund der Investitionsentscheidungen der letzten Jahre“ handele oder ob Berlin eine Art deutsches Silicon Valley werde, zum dominierenden Zentrum für Hightech-Gründungen also.

Generell sieht das IW die Lage bei Gründungen mit Risikokapital aber kritisch. „Europa und vor allem Deutschland liegen weit zurück“, monieren die Ökonomen, „Unternehmen wie Google, Yahoo oder Facebook entstehen nicht bei uns.“ Auch für Berlin stehe der internationale Durchbruch noch aus. „Deutschland muss endlich die Bedingungen für Vorstöße in neue Branchen grundlegend verbessern“, raten die Wissenschaftler. Derzeit kommt rund die Hälfte des Wagniskapitals hierzulande aus öffentlichen Quellen. Investoren müssten etwa Verluste steuerlich stärker geltend machen können, schließlich scheiterten fünf von sechs mit Risikokapital geförderte Firmen. Die Regierung plant bereits ein Wagniskapital-Gesetz. Es ist ist ein neuer Anlauf – 2008 hatte die damalige große Koalition einen ähnlichen Versuch unternommen. Das damals verabschiedete Gesetz könne „nur als Rohrkrepierer bezeichnet werden“, schreiben die IW-Leute.

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