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Hauptversammlung: Siemens gewinnt und streicht

Als wären Abstimmungen über Vorstandsbezüge und Vergleiche mit Spitzenmanagern wegen der Schmiergeldaffäre nicht schon brisant genug. Zusätzlich kündigte Siemens-Chef Peter Löscher bei der Hauptversammlung am Dienstag in München einen weiteren Stellenabbau an.

München - Als wären Abstimmungen über Vorstandsbezüge und Vergleiche mit Spitzenmanagern wegen der Schmiergeldaffäre nicht schon brisant genug. Zusätzlich kündigte Siemens-Chef Peter Löscher bei der Hauptversammlung am Dienstag in München einen weiteren Stellenabbau an. Konkrete Zahlen und auch betroffene Standorte blieb er indes schuldig. Die Belegschaft fürchtet um tausende Stellen. Ihr stößt vor allem auf, dass die Kürzungen von kräftigen Gewinnsteigerungen begleitet werden.

Im Auftaktquartal des zum Oktober endenden Geschäftsjahres 2009/10 wuchs der Siemens-Gewinn nach Steuern um fast ein Viertel auf gut 1,5 Milliarden Euro. Bis Ende September kalkuliert Löscher bei etwa fünf Prozent Umsatzminus mit einem Gewinnsprung von einem Fünftel und hält Stellenabbau trotz dieser für Siemens „erfreulichen Momentaufnahme“ für unvermeidlich. Vor allem Geschäfte mit Industriekunden bräuchten noch Jahre, um wieder auf das Niveau vor der Krise zu kommen. Zudem falle das Energiegeschäft als zweiter von den drei großen Siemens-Sektoren derzeit ins Konjunkturtief. Nur die Medizintechnik bleibe sorgenfrei.

„Die Krise ist noch lange nicht vorbei“, begründete Löscher die Rotstiftpläne. Kurzarbeit als Brücke über Nachfragetäler reiche nicht mehr. Zudem werde die Welt nach der Krise anders aussehen, Nachfrage verlagere sich von Industrie- in Schwellenländer. Das lässt für deutsche Standorte nichts Gutes erwarten. Löscher will die Belegschaft am Donnerstag über die vom Abbau betroffenen Geschäftsfelder und Standorte informieren. Der Verkauf von Geschäftsteilen wie einer Tochter für Hörgeräte ist möglich.

Löscher und Finanzchef Joe Kaeser machten klar, dass sie vor allem in den industrienahen Geschäften mit Antriebstechnik und der Anlagensparte Industry Solutions große Probleme sehen. Im gesamten Industriesektor von Siemens lägen derzeit die Auftragseingänge um ein Viertel unter dem Vorkrisenniveau von 2008. An der Börse kam die Kombination aus guten Ergebnissen und Kostensenkung per Stellenabbau gut an. Die Siemens-Aktie legte um zeitweise fast vier Prozent auf über 67 Euro zu.

Auch die meisten Siemens-Aktionäre reagierten erleichtert auf die Stärke ihres Konzerns. Kritische Stimmen gab es zum Thema Vorstandsgehälter. Insbesondere sei Löschers Gehalt von im Vorjahr gut sieben Millionen Euro zu hoch, mahnte Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt. Insgesamt kassierte der komplette Siemens-Vorstand für 2009 rund 27 Millionen Euro. Etwa 19 Millionen Euro davon entfielen auf Siemens-Aktien und Boni, was der IG Metall ein Dorn im Auge ist. Sie sieht darin vor allem einen Anreiz zu kurzfristiger Gewinnoptimierung statt zu nachhaltigem Wirtschaften. Belegschaftsvertreter und Gewerkschafter wollen die Entlohnung von Löscher & Co. entgegen der gängigen Praxis auch an die Entwicklung der Arbeitsplätze koppeln. Aufsichtsräte dürften zudem nur ein Fixgehalt kassieren, um Zockerei in dieser Ebene vorzubeugen. Ähnlich argumentierten Fondsgesellschaften, die Siemens-Aktien halten. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sagte zu, das Vergütungssystem noch im Frühjahr auf den Prüfstand zu stellen.

Beim heißen Eisen der Schadenersatzforderungen gegenüber Ex-Managern waren sich Cromme, Löscher und die Aktionäre einig, dass es an der Zeit sei, die Korruptionsaffäre als dunkles Kapitel der Firmenhistorie per Vergleich zu schließen. Die Millionenvergleiche seien auch ein Signal, dass sich Vorstände, die ihren Pflichten nicht nachkommen, nicht mehr als geschützte Spezies fühlen dürfen, urteilte eine Aktionärin. Siemens hat sich mit Versicherern, bei denen der Konzern eine Managerhaftpflichtpolice abgeschlossen hat, mit 100 Millionen Euro verglichen. Von neun Ex-Vorständen, unter anderem dem ehemaligen Konzernchef Heinrich von Pierer, kassiert der Konzern darüber hinaus in der Summe knapp 20 Millionen Euro. Der Korruptionsschaden beträgt rund 2,5 Milliarden Euro.

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