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Wirtschaft: Heftiger Krach bei den öffentlichen Arbeitgebern

Nach dem gescheiterten Spitzengespräch im öffentlichen Dienst wird erstmals über eine Schlichtung nachgedacht

Berlin - Beim Tarifstreit im öffentlichen Dienst droht der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erstmals offen mit einem möglichen Austritt der SPD-Länder aus dem Arbeitgeberverband. „Ich schließe das nicht aus, auch wenn ich es für die am wenigsten wünschenswerte Lösung halte“, sagte er dem Handelsblatt. Priorität habe für ihn aber der Versuch, den Konflikt über eine Schlichtung beizulegen. „Das würde die Chance bieten, andere Personen ins Spiel zu bringen und doch noch zu einem vertretbaren Kompromiss zu kommen.“ Auch die SPD-Spitzenkandidatin im baden-württembergischen Wahlkampf, Ute Vogt, schlug eine Schlichtung vor. „Das wäre ein möglicher Weg“, sagte sie dieser Zeitung. Mit dem Verhandlungsführer, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), sehe sie keinen Weg zu einer Einigung mehr. „Möllring muss ausgetauscht werden, das ist ein Weg zur Lösung des Konfliktes.“

Über ihre weitere Strategie wollen die Vertreter der SPD-Länder heute in Stuttgart beraten. Am Samstag waren die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft Verdi und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) ergebnislos abgebrochen worden, ohne dass ein neuer Termin vereinbart wurde. Im Kern des Konfliktes geht es um die Arbeitszeit. Die Länder verlangen eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden. Die Gewerkschaft lehnt das ab. Sie hatte zuletzt 38,8 Stunden angeboten, die Länder hätten nach Tagesspiegel-Informationen bei 39,5 Stunden ja gesagt.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, verstärkt die SPD-Kritik an Möllring: „Ihm scheint es darum zu gehen, eine Niederlage für Verdi zu organisieren und so die Gewerkschaftsbewegung zu schwächen. Das ist eine ungesunde Situation. Teile der CDU-Ministerpräsidenten hoffen offensichtlich, Verdi in diesem Konflikt demütigen zu können.“

Der Geschäftsführer der TdL, Ulrich Konstantin Rieger, hält die Situation dagegen keineswegs für aussichtslos. „Eine Schlichtung kommt erst in Frage, wenn die Verhandlungsdelegationen aus eigener Kraft nicht mehr zu einer Einigung kommen können.“ So weit sei es aber noch nicht. Er sei zuversichtlich, dass die Verhandlungen „nach einer Denkpause“ bei ein oder zwei weiteren Spitzengesprächen auch ohne Schlichtung erfolgreich zu Ende gebracht werden könnten. Auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Klaus Brandner, fordert weitere Verhandlungen vorerst ohne Schlichter. Er schloss sich zwar der Kritik an Möllring an. Er habe den Eindruck, dass die Arbeitgeber nicht kompromissfähig sind. „Wenn aber die Situation so festgefahren ist wie jetzt, wäre ein Schlichter von vornherein zum Scheitern verurteilt", sagte Brandner dem Tagesspiegel. Es sei doch verwunderlich, dass die Tarifverhandlungen am Samstag bereits nach einer Stunde abgebrochen worden seien, obwohl sich beide Seiten zuvor bewegt hätten. „Hier wurden Chancen nicht genutzt", sagte der SPD-Politiker.

Der Berliner Wahlforscher Oskar Niedermayer plädiert dafür, einen neutralen Schlichter einzusetzen. „Es wird langsam Zeit, den Arbeitskampf beizulegen", sagte er. Niedermayer rechnet damit, dass lange Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der SPD bei den anstehenden Landtagswahlen schaden könnten. „Die Gewerkschaften nähern sich immer stärker der Linkspartei an. Es ist möglich, dass die SPD dadurch bei den Landtagswahlen ein bis zwei Prozent an die WASG verliert." Je länger der Streik anhalte, desto ungehaltener würden die Bürger. Allerdings sei dies auch davon abhängig, ob die SPD es schaffe, den Schwarzen Peter für das bisherige Scheitern der Verhandlungen der CDU zuzuschieben.

Verdi-Sprecher Harald Reutter sagte, dass bei der Gewerkschaft der Eindruck verfestigt sei, dass „die Hardliner im Arbeitgeberlager kein Interesse an einem neuen Tarifvertrag haben. Jetzt sind die Arbeitgeber am Zug – ob es eine Schlichtung gibt, muss dort geklärt werden. Dann werden wir uns dazu äußern.“

Die Arbeitgeber bestreiten, dass sich auf ihrer Seite die Hardliner gegen eine SPD-Phalanx durchgesetzt hätten. Schließlich hätten bei der Abstimmung nicht nur CDU-geführte Länder gegen SPD-geführte gestanden.Auch zwei SPD-Länder hätten das Arbeitszeitangebot von 38,5 Stunden als nicht ausreichend gewertet. Zwei CDU-Länder hätten dagegen gemeint, dass man das Verdi-Angebot annehmen solle.

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