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Wirtschaft: Heiß gelaufen

Der Stahlmarkt belastet viele Branchen

Berlin - Der Stahlhunger Chinas bringt der deutschen Wirtschaft wachsende Probleme. Neben Lieferengpässen haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, die enormen Kostensteigerungen für den Grundstoff zu verkraften. So lassen sich einige Kalkulationen nicht mehr halten, etwa in der Baubranche. In der Windkraftindustrie ist mitunter gar das gesamte Inlandsgeschäft gefährdet.

China verschlingt derzeit etwa ein Drittel der weltweiten Stahlproduktion. Durch die große Nachfrage sind auch die Schienenverkehrsunternehmen in Bedrängnis geraten. Nicht nur die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben Probleme, Achsen und Räder für ihre U-Bahnen auf dem Weltmarkt zu erwerben (der Tagesspiegel berichtete) und können deshalb weniger Waggons einsetzen. Auch die Deutsche Bahn ist betroffen. „Die Lieferzeit für Radsätze ist von früher maximal 160 Tagen auf bis zu ein Jahr gestiegen“, berichtet eine Bahn-Sprecherin. Der Bahnmarkt laufe weltweit sehr gut, außerdem sei Stahl schon seit Monaten knapp. Das habe im Konzern bereits zu Problemen mit dem Ersatzteilnachschub geführt. Trotzdem musste die Bahn bislang nur rund 100 Güterwaggons außer Dienst stellen. „Wir haben unsere Einkaufspolitik auf die neue Situation eingestellt“, sagt die Sprecherin.

Andere Sorgen treiben den Windradhersteller Nordex um. „Wir mussten die gestiegenen Stahlpreise an unsere Kunden weitergeben, das ließ sich nicht mehr auffangen“, sagt ein Sprecher der Rostocker Firma. „Für die bedeutet das aber Probleme, denn gleichzeitig sinkt die gesetzlich vorgeschriebene Vergütung, die sie für den eingespeisten Windstrom bekommen.“ Die Folge: Wer eine Windkraftanlage in Deutschland aufstelle, verdiene damit kaum noch Geld. „Dadurch sind uns zuletzt mehrere Projekte im Inland weggebrochen.“ Der Verkauf von Rotoren ins Ausland laufe dagegen gut, auch deshalb werde Nordex dieses Jahr erneut deutlich zweistellig wachsen.

Für die gesamte Maschinenbaubranche ist der Stahlnachschub eine Belastung – ausgerechnet in einer Zeit, in der die Geschäfte so gut laufen wie noch nie. „Vielen bereitet die dramatische Entwicklung bei den Materialkosten Sorge“, sagte Dieter Brucklacher, Präsident des Branchenverbandes VDMA, dem Tagesspiegel. Die Preise von Walzstahl etwa seien im Durchschnitt aller Produktkategorien seit Anfang 2004 um 60 Prozent gestiegen, nicht rostende Edelstahlprodukte hätten allein 2006 ihren Preis mehr als verdoppelt.

„Für viele Unternehmen ist jedoch nicht nur die absolute Höhe der Preise zum Problem geworden, sondern vor allem deren schnelle und unberechenbare Entwicklung“, klagte Brucklacher. Kalkulationen für langfristige Verträge oder im Projektgeschäft würden so „schon mal zum Lotteriespiel“ – die Preise seien manchmal schon überholt, wenn der Kunde den Auftrag vergebe. Zeitweise gebe es „Schwierigkeiten, das benötigte Material überhaupt kurzfristig zu beschaffen“. Brucklacher verlangte, die Stahlindustrie müsse sich „ihrer Verantwortung für die nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette bewusst“ sein und bei Preisen und Versorgung „an möglichst berechenbaren Rahmenbedingungen arbeiten“.

Viele Baustoffe aus Stahl seien immens teuer geworden, moniert auch Heiko Stiepelmann, Vize-Hauptgeschäftsführer beim Bauindustrie-Verband. Betonstahlmatten etwa, mit denen Decken von Neubauten stabil gemacht werden, seien in den vergangenen zwei Jahren um zwei Drittel teurer geworden. „Bei den schwachen Margen kann das ein Bauprojekt in die roten Zahlen treiben.“ Deswegen müsse wenigstens der Staat bei seinen Aufträgen für nachträglich gestiegene Kosten geradestehen. Bisher sei man mit dem Ansinnen aber auf Granit gestoßen.

Die Stahlbranche selbst weist die Schuld von sich. „Wir tun alles, um den wachsenden Bedarf zu decken, aber die Preisentwicklung aufhalten können auch wir nicht“, heißt es bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Produktion laufe auf Rekordniveau, eine Abkühlung sei in den nächsten Jahren nicht in Sicht. Man dürfe aber auch nicht hemmungslos in neue Anlagen zur Stahlerzeugung investieren, sonst gebe es wieder Überkapazitäten, wie es früher oft der Fall war. „Das ist eine Gratwanderung“, heißt es. Derzeit arbeiten hierzulande rund 92000 Menschen in der Branche. Carsten Brönstrup

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