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Wirtschaft: Heiße Spekulationen um Hoechst

FRANKFURT(MAIN) .Wieder aufgeflammte Fusionsgerüchte haben am Freitag die Aktien der Chemiekonzerne an den deutschen Börsen kräftig nach oben getrieben.

FRANKFURT(MAIN) .Wieder aufgeflammte Fusionsgerüchte haben am Freitag die Aktien der Chemiekonzerne an den deutschen Börsen kräftig nach oben getrieben.Im Mittelpunkt der Mutmaßungen stand einmal mehr Hoechst.Der Kurs der Aktie kletterte um fast zehn Prozent.Das Börsianer hatten das Gerücht aufgebracht, Bayer und der Schweizer Chemie- und Pharma-Multi Hoffmann-La Roche wollten Hoechst übernehmen.

Die Gerüchte über immer neue Fusionen und Übernahmen reißen nicht ab.Da soll Schering wieder einmal von einem der großen deutschen Chemiekonzerne oder einem Schweizer oder doch vielleicht einem Amerikaner geschluckt werden, Edeka seine Beteiligung an Otto Reichelt weiter aufstocken oder ein Dritter im Bunde erscheinen.Und im Falle der BHF-Bank wird den vielen Dementis zum Trotz in regelmäßigen Abständen die Bankgesellschaft Berlin ins Gespräch gebracht.Keine Frage, der überraschend bekanntgegebene Zusammenschluß von Daimler-Benz und Chrysler hat das Spekulationsfieber in allen Branchen wieder kräftig angeheizt.Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Mutmaßungen über weiterer Schulterschlüsse an den Börsen die Runde machen.

Anders als in den meisten Fällen waren die Gerüchte am Freitag auf dem Frankfurter Börsenparkett diesmal aber erstaunlich konkret."Hoechst steht nicht mehr lange auf dem Kurszettel", meinte der Börsenchef einer Privatbank.Details würden am Wochenende erwartet.Auch Analysten halten den Deal für durchaus wahrscheinlich.Hoechst selbst wollte zu den Vorhängen nicht Stellung nehmen."Wir kommentieren grundsätzlich keine Börsengerüchte", meinte Hoechst-Sprecher Patrick Pohl.

Bei Analysten ist die Meinung über eine solche Übernahme geteilt."Das paßt nicht", sagten am Freitag etliche Beobachter.Hoffmann-La Roche müßte erst einmal die Übernahme von Boehringer Mannheim verdauen.Für Christiane Dienhart von der Bayerische Vereinsbank allerdings ist Hoechst ein heißer Übernahmekandidat.Aber nicht nur Bayer und Roche, sondern auch BASF hätten es auf den Konzern abgesehen.Sie könnten sich zusammentun, weil es viel teurer sei, einzelne Teile von Hoechst zu erwerben.Die Wahrscheinlichkeit der Übernahme von Hoechst durch die drei Konkurrenten sei größer als 50 Prozent.Bayer interessiere sich für die Chemie, Roche für den Pharmabereich und BASF für die Biotechnologie von Hoechst.Der Gesamtwert von Hoechst liege derzeit bei 50 Mrd.DM.Die Analystin hält eine Übernahme von Hoechst mit anschließender Aufspaltung auch deshalb für realistisch, weil amerikanische und britische Investmentbanken diese Idee immer wieder ins Spiel bringen.J.P.Morgan etwa habe unlängst den "Zerschlagungswert" von Hoechst auf einen Aktienkurs von 110 DM hochgestuft.Derzeit liegt der Kurs zwischen 80 und 90 DM.Für Thomas Schiessle, Chefanalyst des Bankhauses Delbrück & Co, Auslöser der Gerüchte ist denn auch der Kurs der Höchstaktie Hauptgrund für die Übernahmespekulation."Der Kurs müßte eigentlich bei 100 DM liegen".

Daß sich Bayer und Roche für eine Übernahme von Hoechst zusammen tun, macht in den Augen von Schiessle Sinn.Beide Firmen würden schon in Amerika mit Erfolg zusammenarbeiten.Vorteilhaft sei zudem, daß die Kultur in den drei Unternehmen ähnlich sei."Überall spricht man deutsch".

Nach Schiessles Einschätzung würden Bayer und Roche Hoechst übernehmen, um den gesamten Konzern danach zu zerschlagen.Bayer werde die Chemie kaufen und dann weiter veräußern, Diagnostika gingen gemeinsam an beide.Dort könne es allerdings Kartellprobleme geben.Wie es dann mit HMR, der Pharmasparte von Hoechst weitergehe sei allerdings offen.

Bitter ist die Spekulation für Hoechst-Vorstandschef Jürgen Dormann.Der Top-Manager hatte noch Anfang Mai auf der Hauptversammlung eine Übernahme seines Unternehmens praktisch ausgeschlossen.Davor sei ihm nicht bange."Ein Käufer müßte für Hoechst über 70, 80 oder 90 Mrd.DM auf den Tisch legen." Dieser Kaufpreis scheint in diesem Sommer schon niemanden mehr zu schocken.Der Prophet des Shareholder Value in Deutschland müßte sich im Fall einer Übernahme von Hoechst damit abfinden, daß der größte Wertzuwachs für die Aktionäre die Zerschlagung des Unternehmens ist - und nicht der von Dormann mit brachialer Energie betriebene Umbau des Traditionskonzerns in eine "Life-Science-Company".

(RO).

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