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Wirtschaft: Herbstgutachten: Ökonomen warnen vor einer Zinserhöhung

Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben die Europäischen Zentralbank (EZB) aufgefordert, trotz der gestiegenen Inflation die Leitzinsen nicht weiter zu erhöhen. Die EZB solle die Geldentwertung hinnehmen, sagten die Ökonomen bei der Vorstellung des Gutachtens am Dienstag in Berlin.

Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben die Europäischen Zentralbank (EZB) aufgefordert, trotz der gestiegenen Inflation die Leitzinsen nicht weiter zu erhöhen. Die EZB solle die Geldentwertung hinnehmen, sagten die Ökonomen bei der Vorstellung des Gutachtens am Dienstag in Berlin. Für 2001 prognostizieren sie wegen der bereits mehrfach erhöhten Zinsen und des hohen Ölpreises ein gedämpftes Wachstum von 2,7 Prozent.

Der Appell Gustav-Adolf Horns vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ließ es an Deutlichkeit nicht fehlen. Sollte sich der Aufschwung in Europa 2001 weiter abschwächen, müsse die EZB die Zinsen senken. Ganz so weit gingen die anderen Institute nicht. Doch die Sorge, dass die EZB-Geldpolitik die Konjunktur zu stark bremsen könnte, ist einhellig. "Der konjunkturdämpfende Effekt, der von der Ölverteuerung ausgeht, sollte von der Geldpolitik nicht noch verstärkt werden", heißt es im Gutachten.

Die EZB hat in diesem Jahr sechs Mal die Zinsen erhöht, vor allem wegen der gestiegenen Risiken für die Preisstabilität angesichts der Ölpreiserhöhungen und des schwachen Euros. Daher seien die Zinsschritte der EZB gerechtfertigt gewesen, sagte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Nach Meinung der Institute sollte die EZB die Geldpolitik nicht weiter straffen", findet Udo Ludwig vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Der Preisschock von außen sollte von der EZB hingenommen werden. Die Wissenschaftler befürchten, dass der konjunkturdämpfende Effekt, der vom teuren Öl ausgeht, durch eine straffe Geldpolitik noch verstärkt würde. Die Erzeugerpreise in Deutschland waren unterdessen im September auf ein 18-Jahres-Hoch gestiegen. Binnen Jahresfrist verteuerten sich die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte um 4,3 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit.

Wie die EZB zeigten sich aber auch die Institute besorgt über die Schwäche des Euros. "Die drastische Abwertung des Euro seit Beginn des Jahres 1999 ist überraschend", schreiben sie. "Sicher ist, dass es keine eindeutige Erklärung für den Wechselkursverlauf gibt." Am Dienstag setzte die EZB den Euro-Referenzkurs bei 0,8386 Dollar fest und damit leicht höher als am Montag. Nach drei Prozent Wachstum in diesem Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt 2001 um 2,7 Prozent zulegen. Anders als während der Ölkrise Mitte der 70er Jahre erwarten die Institute aber keine gravierende Beeinträchtigung des Aufschwungs oder gar eine Rezession. In Deutschland wird die Ölrechnung um etwa 33 Milliarden Mark höher ausfallen als 1999. Für den privaten Verbrauch hat das Reallohnverluste zur Folge. Da aber dennoch mit einer gemäßigten Lohnpolitik gerechnet wird, werde es zu "keiner Lohn-Preis-Spirale" kommen. Stimulierend dürfte die Steuerreform auf die Konjunktur wirken.

Auch die Gewerkschaften warnten die EZB vor Zinsschritten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) teilten mit, weitere Zinsanhebungen würden "wie eine Keule gegen die konjunkturelle Dynamik ausschlagen". Die Bundesregierung sieht sich durch das Gutachten bestätigt. Die Konsolidierungspolitik trage Früchte. Durch die Steuerreform würden Konsumausgaben beflügelt und ein positiver konjunktureller Impuls zum richtigen Zeitpunkt gesetzt, sagte Finanzminister Hans Eichel (SPD).

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