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Wirtschaft: Herlitz muß eine schwere Krise meistern

Berliner Traditionsfirma hat sich verzettelt / Hohe Verluste in Rußland / Aktie auf TalfahrtVON CASPAR BUSSE/HB BERLIN.Nach dem Fall der Mauer expandierte das Berliner Familienunternehmen Herlitz kräftig - und erlitt Schiffbruch.

Berliner Traditionsfirma hat sich verzettelt / Hohe Verluste in Rußland / Aktie auf TalfahrtVON CASPAR BUSSE/HB

BERLIN.Nach dem Fall der Mauer expandierte das Berliner Familienunternehmen Herlitz kräftig - und erlitt Schiffbruch.Jetzt soll die Rückbesinnung auf das Stammgeschäft mit Papier-, Büro- und Schreibwaren die Zukunft sichern.In den Schlagzeilen hat sich der Schreibwarenkonzern Herlitz AG in den vergangenen Jahren oft wiedergefunden.Die bisher letzte aufsehenerregende Meldung : Vor kurzem schied Peter Herlitz als Vorsitzender des Aufsichtsrates aus.Damit verläßt das letzte Familienmitglied der Gründerfamilie die Führung des Geschäftes. Peter Herlitz räumt die Kommandobrücke auf rauer See: Für das laufende Geschäftsjahr wird mit einem hohen Verlust gerechnet, die Dividende muß ausfallen.Die Börsenkurse der Herlitz AG und der Tochtergesellschaft Herlitz International Trading AG (HIT) befinden sich seit Monaten auf steiler Talfahrt.Die Konzernführung unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Karel de Vries hat die Bewährungsprobe erst noch vor sich.Das Unternehmen will künftig sein Glück wieder in der Konzentration auf dem traditionellen Kernbereich Papier-, Büro- und Schreibwaren (PBS) suchen.Die in den vergangenen Jahren aufgebauten Beteiligungen an der Immobilientochter Herlitz Falkenhöh AG, am Handelshaus HIT sowie an der Einzelhandelskette Mc Paper AG sollen abgestoßen oder reduziert werden. Doch ob die Strategie aufgeht, ist noch nicht ausgemacht.Der Markt für Papier-, Büro- und Schreibwaren stagniert.Für die Zukunft der Branche sieht Armin Schröter, Präsident des Bundesverbandes Bürowirtschaft, keinen Anlaß zu Optimismus.Im gewerblichen Bereich gehe angesichts zunehmender Technisierung und dem Rückgang klassischer Büroarbeitsplätze das Volumen zurück.Auch der private Bedarf nehme nicht mehr zu.Raum für innovative Produkte gebe es nur wenig.Zudem übe der harte Wettbewerb Druck auf die Preise aus. Doch Herlitz gibt sich zuversichtlich.Nach Aussage von Unternehmenssprecher Immo von Fallois entwickele sich das Stammgeschäft gut.Erfolgreich sei insbesondere die neue Herlitz Merchandising GmbH, die unter anderem Fanartikel von Fußballbundesligisten vermarktet.Künftig will Herlitz im PBS-Bereich sein europaweites Engagement, auch durch Akquisitionen, verstärken. Das dazu erforderliche Kapital soll unter anderem aus dem angestrebten Verkauf der Tochtergesellschaften kommen.Schwer könnte aber insbesondere die Suche nach einem Käufer für HIT und deren Beteiligung an der verlustträchtigen russischen Papierfabrik AO Volga werden.Erst kürzlich gab Herlitz rund 7 Prozent seiner HIT-Aktien an einen Finanzinvestor ab.Herlitz hält nun noch knapp unter 50 Prozent an HIT.Der Effekt: Herlitz muß die HIT-Beteiligung und deren Verluste nicht mehr in voller Höhe in der Bilanz konsolidieren, was sich positiv auf das Herlitz-Ergebnis auswirken dürfte."Bilanzkosmetik", meint dazu Kathrin Spanek, Analystin bei der Bankgesellschaft Berlin. Für die Töchter Falkenhöh und Mc Paper werden nach Unternehmensangaben "aussichtsreiche Gespräche" geführt, doch Abschlüsse gibt es nicht zu melden.Als kompliziert gilt die Lage bei der Herlitz Falkenhöh AG.Der Immobilienmarkt in Berlin und Umgebung liegt am Boden, eine schnelle Belebung ist nicht in Sicht.Der geplante Börsengang wurde deshalb im Frühjahr zunächst verschoben.An dem Unternehmen, das im Berliner Umland in großem Stil Wohnungen und Reihenhäuser errichtet, ist mit 10 Prozent die Dresdner Bank beteiligt.Auch von der Einzelhandelskette Mc Paper mit deutschlandweit rund 330 Filialen will sich Herlitz trennen.Hier werden bereits Verhandlungen mit der Deutschen Post AG geführt, die in den Geschäften Postschalter eröffnen will. Der Konzern steckt in einer der schwersten Krisen seiner langen Geschichte.Schon 1904 eröffnete Carl Herlitz in Berlin eine Großhandlung für Papier- und Schreibwaren.1953 nahm Herlitz die Fertigung von Schulheften, Zeichenblöcken und Karteikarten auf.Günter Herlitz, der die Leitung des florierenden Unternehmens 1935 übernommen hatte, wollte nach den Erfahrungen der Berlin-Blockade und des Aufstands vom 17.Juni 1953 die Versorgung der Schüler in der Inselstadt sicherstellen.1972 wurde Herlitz in eine AG umgewandelt, 1977 wurde die Herlitz-Aktie an der Berliner Wertpapierbörse eingeführt.Ende der 80er Jahre begann Herlitz mit dem Aufbau eines Filialnetzes für den Verkauf seiner Produkte. Nach dem Fall der Mauer verdoppelte sich der Umsatz.Die Berliner engagierten sich verstärkt im Immobiliengeschäft.Ende 1994 expandierte die Herlitz-Tochter HIT nach Rußland.Doch die Herlitz-Manager hatte das Glück verlassen.Zuerst wurden hohe Rückstellungen für fehlgeschlagene Immobilienprojekte fällig.Dann schlug das Rußland-Abenteuer fehl.Die Umstrukturierung zu einer Holding wurde nach nur einem Jahr wieder rückgängig gemacht. Mit Skepsis beurteilen Bankanalysten die Zukunft des Konzern."Es spricht momentan sehr wenig für das Unternehmen", meint Bankgesellschaft-Analystin Spanek."Die Analystenschar betrachtet die Aktie so gut wie gar nicht mehr", sagt Nicolai Baltruschat von der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Morgan Grenfell.Es gebe derzeit nur wenig Anzeichen dafür, daß bei Herlitz eine durchgreifende Besserung eintritt.Man sei in den vergangenen Jahren oft enttäuscht worden, daß man nun erst einmal abwarte, heißt es bei Analysten. Dementsprechend schlecht ist der Kursverlauf der Herlitz-Stamm und Vorzugsaktien wie auch der HIT-Papiere.Über den Aktionärskreis ist wenig bekannt.Rund 32 Herlitz-Familienmitglieder halten nach Unternehmensangaben knapp 50 Prozent des Kapitals.Firmengründer Günter Herlitz und Klaus Herlitz haben jeweils Pakete über 5 Prozent.Der Rest dürfte sich im Streubesitz, nicht zuletzt bei vielen Berliner Kleinaktionären, befinden.Dafür spricht auch, daß die Herlitz-Aktie beim jüngsten Börsencrash nicht so stark unter Druck kam wie viele Blue Chips.

CASPAR BUSSE, HB

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