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Wirtschaft: Herlitz-Sanierung entzweit Verdi-Spitze

Berlin (dr). Die Gesichter bei der Pressekonferenz der Herlitz AG am Dienstag drückten Zufriedenheit aus.

Berlin (dr). Die Gesichter bei der Pressekonferenz der Herlitz AG am Dienstag drückten Zufriedenheit aus. Der Insolvenzverwalter Peter Leonhardt hat für seinen Insolvenzplan von den rund 2000 Gläubigern volle Zustimmung erhalten. Das hat Leonhardt selbst überrascht. Herlitz, von der früheren Eigentümerfamilie mit Engagements in Russland und in Immobilien an den Rand des Ruin getrieben, kann neu starten.

Nur der Betriebsratsvorsitzende Christian Petsch machte keinen so glücklichen Eindruck. Er fühlt sich im Stich gelassen von seiner eigenen Gewerkschaft, von Verdi. Denn der Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer mit einem Gegenwert von vier bis fünf Millionen Euro hat es in sich. Die komplizierten Verhandlungen darüber haben tiefe Differenzen innerhalb der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ans Licht gebracht.

Der Reihe nach. Zunächst hatten sich Betriebsrat, Insolvenzverwalter und Vorstand schnell geeinigt. Statt der für Herlitz gültigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche nach dem Papier-Tarifvertrag sollten zunächst weiterhin 37 Stunden gearbeitet werden. Der Betriebsrat erklärte sich ferner bereit, den Abbau von rund 60 Arbeitsplätzen mitzutragen. Beim Verzicht auf das Weihnachtsgeld war der Betriebsrat verhandlungsbereit, doch Verdi sagte kategorisch nein. Das Sanierungspaket war blockiert.

Nächster Schritt: Vorstand und Insolvenzverwalter reagierten umgehend und wechselte den Arbeitgeberverband: Von der Papierindustrie zum Groß- und Außenhandelsverband. Damit galten für Herlitz andere Tarifbedingungen. Für die Arbeitnehmer bedeutete das die 38,5-Stunden-Woche und 35 bis 45 Prozent Weihnachtsgeld. Damit war der Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer ohne Zustimmung der Gewerkschaft erfüllt. Doch der Wechsel hat einen Haken: Die anfangs geplante Rückkehr aus dem Sanierungsvertrag in den allgemeinen Tarif der der Papierverarbeiter war passé. Die 35-Stunden Woche und ein volles Weihnachtsgeld hatten sich damit auch erledigt.

Doch es sollte noch dicker kommen: Hartmut Friedrich, im Bundesvorstand von Verdi zuständig für den Bereich Handel, erfuhr am 11. Juli als Mitglied des Herlitz-Aufsichtsrates von der neuen Situation. Er versuchte die Notbremse zu ziehen. Gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden, dem Insolvenzverwalter und dem Vorstand unterzeichnete er ein Abkommen. Die Parteien verabredeten darin, ab Januar 2004 über eine Rückkehr zu den Papier-Tarifen zu verhandeln.

Die Tinte war kaum trocken, als bei Herlitz ein Brief von Frank Werneke einging. Werneke ist ebenfalls Mitglied im Bundesvorstand von Verdi, allerdings für die Papierverarbeiter. Am 15. Juli teilte er dem Vorstand von Herlitz mit, dass Verdi die Unterzeichnung des Abkommens durch Hartmut Friedrich „vorläufig“ zurückziehe. Ein Angebot, dass der Vorstand gerne annahm. Zufrieden konnte Vorstand Norbert Strecker am Dienstag erklären, durch den Wechsel des Verbands seien „tarifliche Ungleichgewichte im Konzern“ bereinigt worden. In Berlin arbeitet die Belegschaft nun 38,5 Wochen-Stunden, im brandenburgischen Peitz und Falkensee wie bisher schon 40 Stunden.

Bei Verdi hat diese Auseinandersetzung Spuren hinterlassen. Hartmut Friedrich will sein Aufsichtsratsmandat bei Herlitz niederlegen, und denkt dem Vernehmen nach über seine Arbeit in der Gewerkschaft nach.

Betriebsratschef Petsch ist ein wenig resigniert: „Ich habe versucht, persönlich Einfluss auf die Gewerkschaft zu nehmen, es ist mir nicht gelungen.“ Die Herlitz-Beschäftigten hätten auch noch auf das Weihnachtsgeld verzichtet, wenn sie die Gewissheit gehabt hätten, wieder in den alten Tarifvertrag zurückzukehren. Zusammen mit dem Vorstand gebe es einiges aufzuarbeiten. Zunächst will Petsch eine Betriebsversammlung organisieren, auf der die Verantwortlichen Rede und Antwort stehen sollen. Und damit meint er vor allem zwei: Herlitz-Vorstand Christian Supthut und Verdi-Funktionär Frank Werneke.

Der Streit ändert nichts am Erfolg der Sanierung: Im Kern bleiben 2700 Arbeitsplätze und im Konzern sogar 3500 Arbeitsplätze erhalten. Supthut, verkündete zuversichtlich, die Liquiditätssituation sei nach dem Millionenverzicht der Gläubiger sehr ordentlich, der Umsatz sei wie geplant zurückgefahren und dabei das Ergebnis noch verbessert worden. Ein potenter Investor werde zwar gesucht, aber Herlitz könne im Moment auch alleine weiterkommen.

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