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Auch die Berliner Boxerin Zeina Nassar trägt einen Hijab beim Sport.

© dpa

Hersteller von Sportkleidung: Decathlon zieht Jogging-Kopftuch zurück

Nach Protesten stoppt der Hersteller den Verkauf des Sport-Hijab in Frankreich. Doch auch dieser Schritt ruft Kritik hervor.

Von Beihilfe zur "Unterwerfung" von Frauen und einem Verstoß gegen westliche Werte war die Rede: Mit einem Jogging-Kopftuch für muslimische Frauen hat der französische Sportartikelhersteller Decathlon scharfe Kritik auf sich gezogen - nun macht das Unternehmen einen Rückzieher.

Der sogenannte Hijab, der Kopf und Hals bedeckt, wird in Frankreich vorerst nicht verkauft, wie ein Decathlon-Sprecher am Dienstagabend im Radiosender RTL ankündigte. Politiker bis in die Reihen der Regierung hatten Decathlon kritisiert, manche forderten sogar einen Boykott des bekannten Herstellers.

Decathlon-Sprecher Xavier Rivoire betonte, mit dem Rückzug des Produkts werde Decathlon seiner "Verantwortung" gerecht. Wenige Stunden zuvor hatte er das atmungsaktive Kopftuch noch wortreich verteidigt: "Wir stehen zu unserer Entscheidung, den Sport Frauen in aller Welt zugänglich zu machen", hatte Rivoire der Nachrichtenagentur AFP gesagt.

Als erste begrüßten Frankreichs Rechtspopulisten den Vermarktungsstopp: Die Chefin des Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung), Marine Le Pen, erklärte bei Twitter: "Geld rechtfertigt nicht jede Unterwerfung und jede Provokation". Niemand dürfe "dem Druck der Islamisten" nachgeben.

Der rechtsidentitäre Politiker Nicolas Dupont-Aignan von der Partei Debout la France (Frankreich steh auf) schrieb auf Twitter: "Wir dürfen dem radikalen Islam nicht nachgeben, der Frankreich verkommen lässt." Er hatte einen Boykott von Decathlon gefordert.

Justizministerin Nicole Belloubet nannte die Diskussion über den Hijab dagegen "hysterisiert". Die Vermarktung eines Sport-Kopftuchs widerspreche nicht dem strengen Gebot der Trennung von Kirche und Staat in Frankreich, betonte sie. Gut sichtbare religiöse Symbole wie Kopftücher und Kreuze sind darunter an staatlichen Schulen seit 2004 verboten.

Damit trat die 63-jährige Ministerin Kritikern aus dem Umfeld von Staatschef Emmanuel Macron entgegen. Eine Sprecherin der Regierungspartei La République en Marche (Die Republik in Bewegung) hatte Decathlon vorgeworfen, mit den Werten der Republik zu "brechen". Es sei die Aufgabe des Sports, zu emanzipieren und nicht zu "unterwerfen", betonte sie. "Wer Frauen im öffentlichen Raum nur dann toleriert, wenn sie sich verstecken, schätzt die Freiheit nicht."

Sawsan Chebli schaltet sich ein

Auch die deutsche Politikerin Sawsan Chebli griff das Thema bei Twitter auf. "Die Botschaft: Freiheit ja, aber nicht für muslimische Frauen", schrieb die Berliner Staatssekretärin. "Das nenne ich Einknicken vor den Islamfeinden." Frauen würden das Kopftuch deshalb nicht ablegen. Stattdessen fürchte sie, dass es noch mehr tragen. "Nicht gut", lautet ihr Fazit.

Kopftücher im Sport sind schon länger umstritten. Erst vor wenigen Tagen hatte die Berliner Boxerin Zeinar Nassar beim Deutschen Boxsport-Verband Änderungen der Wettkampfbestimmungen erkämpft, damit sie im Ring mit Kopftuch antreten darf. Die 20 Jahre alte Berlinerin muslimischen Glaubens boxt mit einem Hijab und hat dazu den Körper bis auf das Gesicht völlig verdeckt. 2018 wurde sie deutsche Meisterin im Federgewicht.

In welchen Ländern Decathlon das Jogging-Kopftuch nun außerhalb von Frankreich vermarkten wird, ist noch offen. Bisher ist es nur in Marokko erhältlich, und dort erwies sich der Hijab in Schwarz und Weiß nach Angaben des Unternehmens als "Renner". In Deutschland unterhält Decathlon mehr als 60 Filialen, fünf davon in Berlin und in Brandenburg.

Mit dem Jogging-Kopftuch war der französische Hersteller nicht allein am Markt: Auch der US-Hersteller Nike vertreibt einen "Hijab für Frauen" in Schwarz, Grau oder Weiß. (mum, AFP)

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