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Hertie und Co.: Traditionsfirmen in der Klemme

Hertie ist nicht der einzige Fall. Finanzinvestoren, die sich an Traditionsfirmen beteiligen, leiden unter der Finanzkrise. Und jetzt bricht auch die Konjunktur weg. Viele der Firmen haben wenig Spielraum, weil sie hoch verschuldet sind.

Berlin/Düsseldorf - Hertie kennt jeder. Entsprechend groß war die Aufregung, als die Nachricht von der Insolvenz der traditionsreichen Kaufhauskette die Runde machte. Zumal Hertie seit 2005 mehrheitlich dem britischen Immobilienfinanzierer Dawnay Day gehört, einer der vermeintlichen Heuschrecken, die im Zuge der weltweiten Finanzkrise in Schwierigkeiten geriet. Die deutsche Traditionsmarke ein Opfer skrupelloser Investoren? Nicht ganz. Dramatische Absatzprobleme durch die kriselnde Nachfrage wurden Hertie zum Verhängnis. Und doch: Ein sonderlich dichtes Auffangnetz hatten die Eigentümer von der Insel nicht gespannt.

Der Fall Hertie mag seine Eigenheiten haben, aber es gibt vergleichbare Beispiele. Die Werkstattkette Auto-Teile-Unger (ATU), die KKR, einem der weltweit größten Finanzinvestoren, gehört, hat jüngst die Streichung von bis zu 600 Stellen bekannt gegeben. Mehrere Geschäftsführer haben zuletzt vergeblich ihr Glück versucht.

Und der Finanzinvestor GCI kündigte gerade an, seine Mehrheit an dem angeschlagenen Nähmaschinenhersteller Pfaff verkaufen zu wollen. Die Begründung des GCI-Vorstands: „Die Marktsituation ist zurzeit sehr schwierig.“ Pfaff habe sich nicht so gut entwickelt, wie beim Einstieg erhofft. Die Zukunft des Traditionsbetriebs ist ungewiss.

Gemeinsam ist allen Mittelständlern ein doppeltes Krisenszenario. Die ausländischen Investoren spüren den Gegenwind der Finanzkrise: Geschäfte mit faulen Immobilienkrediten haben zu mitunter hohen Verlusten geführt, die Banken reagieren verunsichert, Kredite sind teurer geworden. Auf der anderen Seite gerät das Kerngeschäft in Bedrängnis. Der Handel kämpft mit der steigenden Inflation, andere Firmen wie etwa ATU leiden unter den hohen Benzinpreisen.

Wenn sich nun die Konjunktur eintrübt, haben viele dieser Firmen wenig Spielraum. Der Grund: Sie sind hoch verschuldet. „In den letzten drei Jahren haben deutsche Mittelständler, bei denen Finanzinvestoren beteiligt sind, exzessiv Kredite aufgenommen. Dadurch steigt das Risiko einer Insolvenz und der Druck auf Arbeitsplätze und Löhne“, sagt Lothar Kamp von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Für ihn war Hertie nur der Anfang. Für besonders gefährdet hält Kamp die Branche der Automobilzulieferer. „Dort wurde eine ganze Reihe von Unternehmen bis an problematische Grenzen heran hoch verschuldet und hatte bereits Probleme, die bei einem weiteren Einbruch der Konjunktur zunehmen“, sagt Kamp. Als Beispiele nennt er neben ATU etwa die auf Dachmodule spezialisierte Firma Edscha oder den Hersteller von Autositzen Grammer.

Beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) stößt das Horrorszenario auf wenig Verständnis. Die Subprime-Krise habe auf deutsche Mittelständler, an denen Private-Equity-Gesellschaften (PE) beteiligt seien, keine Auswirkungen, sagt Verbandssprecherin Dörte Höppner. „Die Finanzierung läuft wie immer.“ Problematisch sei für viele Mittelständler vielmehr die zögerliche Kreditvergabe der Banken im Rahmen von Basel II. Laut Creditreform stehen rund eine Million Unternehmen vor Finanzierungsschwierigkeiten, weil alte Kreditverträge im kommenden Jahr auslaufen.

Die Vergangenheit zeige, dass Mittelständler mit PE-Beteiligungen eine höhere Bonität aufbrächten und krisenfester seien als andere, sagte die BVK-Sprecherin. 6200 deutsche Firmen sind laut BVK mit PE finanziert, 80 Prozent davon haben nicht mehr als 100 Mitarbeiter und einen Umsatz von weniger als zehn Millionen Euro.

Doch der BVK spricht überwiegend für die deutschen Fonds – die großen internationalen Namen, die für negative Schlagzeilen sorgen, sind im Verband nicht vertreten. Wie flächendeckend diese Investoren, die mit ihren kurzfristigen Engagements und hohen Renditevorstellungen eher dem Bild der Heuschrecken als die deutschen PE-Fonds entsprechen, an deutschen Unternehmen beteiligt sind, ist dem Experten der Hans- Böckler-Stiftung zufolge schwer zu sagen. Der Markt sei nicht transparent genug. Sicher ist aber, dass seit 2002 das Engagement ausländischer Investoren, durch staatliche Anreize gefördert (siehe Kasten), enorm gestiegen ist. Gerade Mittelständler, die häufig mit Nischenprodukten am Weltmarkt reüssieren, stießen auf Interesse.

Doch nicht immer kamen Heuschrecken nach Deutschland. „Es gibt große Unterschiede zwischen Investoren, die sich nur kurzfristig aus einem Unternehmen finanzieren wollen, und solchen, die versuchen, strategisch mitzuwirken“, sagt Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Es habe durchaus Unternehmen gegeben, die von Finanzinvestoren stark profitiert hätten, so Gerke. Das gilt auch aus Sicht der Arbeitnehmer, wie Lothar Kamp betont. Ein Beispiel sei der Konzern ProSiebenSat1, der Ende 2006 von den Investoren KKR und Permira mehrheitlich übernommen wurde. „Das Unternehmen wollte damals keiner mehr haben“, sagt Kamp, „und durch die Investoren sind Arbeitsplätze gerettet worden.“

Die Vorsicht der Investoren ist allemal gewachsen. Viele würden zurückhaltender agieren, erwartet Wolfgang Gerke. „Sie haben aus der Finanzkrise gelernt, dass ein Großteil ihres Ertrags nicht systematischer Natur ist, sondern allein auf höherem Risiko beruht.“

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