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Wirtschaft: High noon auf dem Telefonmarkt

Ferngespräche für neun Pfennig pro Minute? Billiger gehts nimmer.

Ferngespräche für neun Pfennig pro Minute? Billiger gehts nimmer.Mit einer Mischung aus Freude und Besorgnis haben Vieltelefonierer in der vergangenen Woche das Preisfeuerwerk der Telekom-Konkurrenten erlebt.Kann das noch lange gut gehen? Viele halten die frei fallenden Tarife für ein Zeichen, daß auf dem Markt jetzt das gnadenlose Shoot-out beginnt.Die Telekom-Konkurrenten würgen mit Dumpingpreisen einander die Luft ab, bis die Schwächsten aufgeben müssen.Viele befürchten: Sind die kleinen aggressiven Störenfriede erstmal vom Markt gedrängt, werden die Großkonzerne den Kunden bald wieder schröpfen.

Keine Sorge: Die neuen Telefongesellschaften verdienen immer noch gutes Geld.Ferngespräche für neun Pfennig pro Minute? Großkunden aus der Industrie zahlen noch sehr viel weniger.Und so dürfte auch für Privatkunden noch einiges drin sein.Spätestens im Februar wird die nächste Runde im Preisboxen eingeläutet.Dann sollte die Pachtgebühr für einen Teilnehmer-Anschluß feststehen.Damit kann der Wettbewerb im Ortsnetzbereich losbrechen.Ein neuer Milliardenmarkt, den sich wohl keiner der neuen Anbieter entgehen läßt.

Kein Zweifel: Der biedere Beamte Scheurle hat den vor einem Jahr freigegebenen Telefon-Markt gut reguliert.Keiner der 51 Telekom-Herausforderer hat bislang seine Lizenz für Sprachtelefonie zurückgegeben.Was Preisniveau, Investitionen, Innovationskraft und Dynamik des Wettbewerbs betrifft, ist der deutsche Telefon-Markt in kürzester Zeit zum weltweiten Modellfall geworden.Neidvoll sieht das Ausland auf das deutsche "Telecom-Valley".Die Liberalisierung in Deutschland hat innerhalb eines Jahres mehr erreicht, als die Liberalisierung in Großbritannien in zwölf Jahren.

Ist der Markt aber möglicherweise überreguliert? Seit dem Regierungswechsel muß sich die Regulierungsbehörde immer öfter auch von Bundespolitikern den Vorwurf anhören, sie schwäche die Telekom so sehr, daß diese den Boden unter den Füßen verliert.Schon jetzt, so die Bilanz der Regulierungsbehörde, hat die Telekom ein Drittel des Fernsprech-Aufkommens an die Konkurrenz verloren.Der Wettbewerb im Ortsnetzbereich könnte sich ähnlich entwickeln.Schon läuten die Telekom-Freunde die Alarmglocken: Das Kerngeschäft eines der größten deutschen Arbeitgebers leidet an galoppierender Schwindsucht.

Doch auch dieses Untergangsszenario ist überzeichnet.Die Telekom hat trotz ihres rückläufigen Gesprächsaufkommens in den letzten Quartalsberichten immer wieder satte Gewinnsteigerungen vorweisen können.Der Exmonopolist tut nämlich das Richtige: Anstatt die unhaltbare Stellung im Kerngeschäft verlustreich zu verteidigen, nutzt er seine Innovationskraft und anhaltende Marktmacht, um mit neuen Angeboten und Techniken - vom Internet-Angebot bis zum Bildtelefon - der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus zu bleiben.

Zudem hat schon die zweite Preisrunde gezeigt: Der Druck läßt langsam nach.Einzelne Herausforderer wie Otelo verlieren wegen unternehmerischer Fehlentscheidungen ganz eindeutig den Anschluß.Zwar sind einige Tarife von Mannesmann Arcor, debitel oder Mobilcom deutlich unter dem Telekom-Preis.Doch beim einfachen Vergleich der Minutentarife wird oft vergessen, daß die Telekom zahlreiche Rabatte wie "Zehn Plus" oder "City Plus" anbietet.Wer diese in Anspruch nimmt, kann beim Exmonopolisten sogar zum Teil günstiger telefonieren als beim Herausforderer.Überhaupt ist der Abstand längst nicht mehr so gewaltig, wie zum Beginn der Liberalisierung.Wer will schon wegen ein paar wenigen Pfennigen die Mühen des Anbieterwechsels auf sich nehmen? Wenn die Deutschen solche Pfennigfuchser wären, würden alle nur noch bei Aldi einkaufen.Nein: Das Telefon-Geschäft ist ein Stammkundengeschäft, und die Deutsche Telekom kann sich durchaus beruhigt auf einen beträchtlichen Rest von Wechsel-Trägheit ihrer Kundschaft verlassen.

DANIEL WETZEL

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