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Wirtschaft: Hilfe, die Chinesen kommen

Mit der Übernahme der britischen MG Rover beginnen die chinesischen Autohersteller, den europäischen Markt zu erobern

Berlin - Nach den Koreanern kommen nun die Chinesen. „Spätestens übernächstes Jahr“, erwartet Volker Lange, Präsident des Verbandes der Automobilimporteure, die ersten Autos aus chinesischer Fertigung auf dem deutschen Markt. „Es gibt Anzeichen dafür, dass sie es versuchen werden“, sagt Lange und meint vor allem den Einstieg der Shanghai Automotive Industry Corp (Saic) beim britischen Hersteller MG Rover.

Saic hat sich mit 70 Prozent an den Briten beteiligt und könnte nun versuchen, mit Hilfe des Rover-Händlernetzes eigene Produkte in Europa abzusetzen. Der Präsident des Verbandes der deutschen Autoindustrie, Bernd Gottschalk, bewertet den Einstieg bei Rover als einen „der bemerkenswertesten Schritte der jungen Autonation China“. Die „etablierten Märkte“, also USA, Japan und Westeuropa, „sollten dies mit größter Aufmerksamkeit verfolgen“. Machen also bald chinesische Autos VW und Mercedes auf ihrem Heimatmarkt Konkurrenz? „Die Chinesen werden spätestens 2010 in Europa präsent sein“, glaubt der Gelsenkirchener Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Für ihn liegt das Motiv der Expansion gen Westen vor allem in den Überkapazitäten zu Hause.

Der in den vergangenen Jahren rasant wachsende Autoabsatz hat alle Autokonzerne veranlasst, ihre Produktionskapazitäten in China beträchtlich auszuweiten. Allein Marktführer VW verdoppelt bis 2010 seine Kapazität auf 1,7 Millionen Autos. Doch bereits 2008 dürften die Kapazitäten die tatsächliche Nachfrage in China um drei Millionen übersteigen. Da liegt es also nahe, sich andere Absatzgebiete zu suchen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass sie mit eigenen Marken nach Europa kommen“, sagt Dudenhöffer. Die Chinesen profitierten dabei von dem Know-how, das sie von ihren Partnern bekommen. „Die Joint-Ventures sind das ganz große Problem in China, denn die Partner von heute können die Konkurrenten von morgen sein“, sagt Dudenhöffer.

Zum Beispiel von VW. Die Saic, mit der VW in China unter anderem Santana, Passat und Touran baut und vertreibt, übernimmt mit Rover einen VW-Wettbewerber in Europa. In Wolfsburg gibt man sich nach außen gelassen und will das Vorgehen von Saic nicht weiter kommentieren. Doch für den deutschen Autopräsidenten ist das „der erste Schritt, mit dem man die Fühler jetzt auch weltweit ausstreckt“. Die chinesische Regierung ordne der Autofertigung „eindeutig das Prädikat Schlüsselindustrie zu“, sagte Gottschalk dem Tagesspiegel. Mit der koreanischen Ssangyong habe Saic „eine Marke, Produkt-Know- how und Präsenz auf einem großen außerchinesischen Automarkt, und mit Rover den Zugang zu einem Vertriebsnetz in Europa erworben“. Gottschalk mahnt die Deutschen zur Wachsamkeit. Denn „wer die Zielstrebigkeit Chinas kennt, wird dies nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenngleich auf diese neue Konstellation noch viel Arbeit wartet“.

Das sieht Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen auch so. „Die Chinesen verfügen über kein international wettbewerbsfähiges Know-how.“ Schließlich sei das Auto ein sehr komplexes Produkt. „Das organisatorische Know-how ist mindestens ebenso wichtig wie das technische Know-how“, sagt Diez. Was Saic mit der angeschlagenen Rover wolle, erschließt sich ihm nicht. „Das ist so, als wenn ein Blinder einen über die Straße führt“, sagt Diez. Die Joint-Venture-Partner der Chinesen sollten allerdings aufpassen, „dass nicht noch mehr Know- how abfließt“. Im Übrigen hätten die Koreaner, die anfangs Lizenzprodukte etwa von Mazda und Mitsubishi gebaut haben, auch Jahre gebraucht, bis sie eigene Fahrzeuge entwickeln konnten.

Auf dem deutschen Markt, auf dem 34 Automarken vertreten sind, kommen die Koreaner (Hyundai, Kia und Daewoo inzwischen immerhin auf einen Marktanteil von drei Prozent. Im vergangenen Jahr verkauften die drei hier zu Lande rund 74000 Autos, vor allem Kleinwagen, Minivans und Geländewagen. In den USA wollen die Koreaner auch in das Oberklassesegment vorstoßen. Laut Dudenhöffer „hoffen die Europäer, dass die damit nicht auch nach Europa kommen“.

Wenn die Chinesen kommen, so wird das nach Einschätzung von Autoimporteurspräsident Lang vor allem zu Lasten anderer ausländischer Marken gehen. Allerdings vermutet er, dass sich die Asiaten vor allem „auf den Riesenmarkt Russland konzentrieren“, auf dem die Claims nicht so abgesteckt sind wie in Westeuropa. Einen riesigen Schritt würden die Chinesen indes machen, wenn sie die seit Jahren schwächelnde italienische Nationalmarke Fiat übernehmen würden. Die Branche spekuliert derzeit über einen solchen spektakulären Deal. Dudenhöffer hält das zwar nicht für ausgeschlossen. „Aber es würde in Italien eine Regierungskrise auslösen, wenn Chinesen Fiat übernehmen.“

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