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Viele Bakterien können dem Menschen schaden. Gefährlich wird es, wenn sie nicht mehr auf Antibiotika reagieren.

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Hoher Einsatz in Medizin und Tierhaltung: Warum resistente Keime gefährlich werden können

In Humanmedizin und Tierhaltung kommen hohe Mengen Antibiotika zum Einsatz. Das soll vor Krankheiten schützen - bewirkt aber oft das Gegenteil.

Jeder ist besiedelt. In der Nase, auf der Haut und im Darm. „1,5 Kilo Bakterien haben wir im und am Körper“, referierte Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vergangenen Donnerstag in Berlin. Bakterien sind ganz normal und wechseln oft ihre Bleibe, zum Beispiel durch Kontakt von Mensch zu Haustier oder unter Menschen. Wer jetzt ein Kribbeln verspürt und gleich zum Desinfektionsmittel greift, macht es genau falsch. Denn die meisten Bakterien sind kein Grund für Panik. Problematisch wird es bei Krankheitserregern, die unempfindlich sind gegen das Mittel, das die Medizin im Ernstfall dringend zur Behandlung braucht: Antibiotika. In Krankenhäusern sterben nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit jährlich 7.500 bis 15.000 Menschen, die sich einen resistenten Keim eingefangen haben, zum Beispiel im Krankenhaus. Der BUND geht davon aus, dass jedes Jahr 30 000 bis 40 000 Menschen in Deutschland sterben, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken. Belegt ist das nicht. Weil andere Todesursachen genannt würden, mutmaßt eine BUND-Mitarbeiterin.

 Notfallhelfer außer Gefecht

„Wenn man ein Antibiotikum einsetzt, zielt das nicht nur auf das eine unerwünschte Bakterium, sondern auf alle Bakterien“, sagt BfR-Chef Hensel. Die Folge: Diejenigen, die empfindlich sind gegen Antibiotika, werden abgetötet und nur die Resistenten überleben. Wenn nur diese Antibiotika-Uempfindlichen durchhalten, pflanzen sie sich, ungestört von Konkurrenz, schneller fort und breiten sich aus.

Mit ihrer Eigenschaft, Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln, sind in den letzten zwei Jahren vor allem zwei Bakterientypen aufgefallen. Der MRSA-Keim kommt vor allem bei Nutztieren vor, zum Beispiel in der Mastputen- und Mastrinderproduktion, und bei Menschen, die beruflich in der Landwirtschaft arbeiten oder anderweitig in häufigem Kontakt mit Tieren stehen. Für die breite Bevölkerung spiele MRSA eher eine untergeordnete Rolle.

Bakterien, die die Enzyme ESBL und AmpC bilden, können zu einem größeren Problem werden, denn sie geben ihre Resistenz auch an andere Arten weiter. Nachgewiesen ist, dass diese BAkterien vor allem bei der Mensch-zu-Mensch-Übertragung im Krankenhaus eine Rolle spielen.

 Viehwirtschaft nicht einzige Baustelle

Was für den Verbraucher der Griff zum Desinfektionsspray ist, ist für den Viehhalter der voreilige Griff in den Pulver-Beutel mit Veterinärantibiotikum für seine Nutztiere. Laut BfR wurden 2013 1450 Tonnen Antibiotika in Deutschland an Tierärzte abgegeben. „Auch beim Arzt verlangen Menschen häufig Antibiotika, weil sie schneller wieder arbeiten wollen“, sagt Humanmediziner Robin Köck vom Universitätsklinikum Münster.

1450 Tonnen Antibiotika wurden 2014 an Tierärzte abgegeben. Ein Großteil landet in der Masttierhaltung.
1450 Tonnen Antibiotika wurden 2014 an Tierärzte abgegeben. Ein Großteil landet in der Masttierhaltung.

© p-a/dpa

In der Öffentlichkeit entstehe oft der Eindruck, Massen-Tierhaltung allein wäre schuld an der Verbreitung resistenter Keime, kritisiert BfR-Chef Hensel. In der Lebensmittelkette sollten beim Fleisch Haltung, Verarbeitung und das Produkt, das im Supermarkt landet, gleichermaßen verbessert und unter die Lupe genommen werden. Gerade auch die Schlachthygiene, zum Beispiel beim Zerlegen von Tieren, solle verbessert werden. Das ist vor allem bei Geflügel ein Problem, auch da nach einer Studie des BfR diese Tiere am häufigsten während der Aufzucht mit Antibiotika behandelt werden.

Die Regierung will gegensteuern

„Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Resistentselektion und Ausbreitung von Keimen“, sagt Bernd-Alois Tenhagen vom BfR. „Das Problem ist allerdings nicht nur in der Tierhaltung zu lösen“, heißt es vom BfR unisono.

Auch die Bundesregierung zielt darauf ab, den Medikamenteverbrauch zu senken, unter anderem mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie. Nicht erst Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte im letzten Jahr angekündigt, die Ausbreitung resistenter Bakterien zu minimieren: "Das hat bei mir allerhöchste Priorität.“

Als Vorbild werden häufig die Niederlande genannt. Hier gibt es schon länger eine zentrale Datenbank zum Antibiotikaverbrauch in landwirtschaftlichen Betrieben und durch Tierärzte. Im Vergleich zu 2009 seien im vergangenen Jahr dadurch bereits rund 65 Prozent Antibiotika eingespart worden, heißt es beim der Bundesverband der praktizierenden Tierärzte.

In Deutschland dürfen seit April Antibiotika nur noch zum Behandeln kranker Tiere eingesetzt werden und nicht mehr zur Wachstumsförderung oder zur Vorsorge. Auch gibt es gleich zwei Programme, um herauszufinden, in welchen Betrieben zu viel Antibiotikum verordnet wird. Wer auffällig viel einsetzt, soll künftig überprüft werden. Auch, wenn manche Landwirte über den Zusatzaufwand bei der Überprüfung murren, begrüßen die meisten die Initiativen. „Der Grund für Antibiotika sind kranke Tiere“, heißt es vom Deutschen Bauernverband. „Tiere werden krank, wenn die Haltungsbedingungen im Stall nicht stimmen oder Landwirte nicht gut genug ausgebildet sind. Wenn wir die Ursachen kennen, dann können wir etwas dagegen tun.“

 Und zuhause…?

Der Verbraucher sollte sich den voreiligen Griff zum Desinfektionsmittel verkneifen. BfR-Chef Andreas Hensel rät zum Händewaschen, dazu, den Kontakt mit rohem Fleisch zu vermeiden und in der Küche Fleisch separat vom Gemüse zu verarbeiten. „Damit hat der Verbraucher in bescheidenem Umfang die Möglichkeit, sich vor antibiotikaresistenten Krankheitserregern zu schützen.“

Thomas Walbröhl

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