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Wirtschaft: Hoher Ölpreis drückt die Stimmung

ZEW-Index fällt deutlich / Ökonomen warnen vor „erheblichen Risiken“ / Kritik an geplanter Zinserhöhung

Berlin - Der aufkeimende Aufschwung in Deutschland könnte sich schon bald wieder verlangsamen. Das Stimmungsbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sackte im Juli von 37,8 auf 15,1 Punkte ab. Erstmals seit gut einem Jahr fiel der Index damit unter seinen historischen Mittelwert von 35,2 Punkten. „Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland ist derzeit erheblichen Risiken ausgesetzt“, schreiben die ZEW-Experten. Etwas optimistischer zeigten sich die Ökonomen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI): Sie hoben ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 1,5 auf 1,6 Prozent an. Auch sie warnten aber vor „nicht unerheblichen“ Risiken.

ZEW-Präsident Wolfgang Franz nannte die kommende Mehrwertsteuererhöhung und den rapide gestiegenen Ölpreis als wichtigste Gründe für die getrübte Stimmung. Auch der mangelnde Reformeifer der Regierung mache sich bemerkbar. „Der Vertrauensvorschuss in die große Koalition geht merklich zurück.“ Die aktuelle Situation beurteilten die vom ZEW befragten Experten im Juli hingegen besser als im Vormonat: Der Indikator stieg von 11,9 auf 23,3 Punkte.

Diese Einschätzung deckt sich mit der des Wirtschaftsministeriums. Demnach hat das Wachstum im Frühjahr zugelegt. „Nachdem die deutsche Volkswirtschaft im ersten Quartal Fahrt aufgenommen hat, dürften sich die Aktivitäten im zweiten Quartal beschleunigen“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Monatsbericht. Wie das HWWI rechnet auch die Regierung für das Gesamtjahr mit einem Wachstum von 1,6 Prozent.

Die Mehrheit der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sieht aktuell ebenfalls noch keinen Grund zur Sorge. Nach einer Umfrage des „Handelsblatts“ wollen weder das Ifo-Institut noch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) noch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ihre Wachstumsprognosen senken.

Grundsätzlich zuversichtlich gibt sich auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). „Die Bedingungen für einen anhaltenden Aufschwung sind positiv, auch für das nächste Jahr“, sagte BDI- Präsident Jürgen Thumann in Berlin. „Ich sehe aber auch sehr hohe Risiken“, fügte er hinzu. So sei nicht klar, wie die Weltwirtschaft mit einem möglichen Ölpreis von 100 Dollar je Fass (159 Liter) zurechtkommen werde. In der vergangenen Woche war der Ölpreis auf einen Rekordwert von mehr als 78 Dollar gestiegen. Experten halten schon bald einen Sprung auf über 80 Dollar für möglich.

Das HWWI hingegen unterstellt bei seiner Prognose, dass der Höhenflug beim Öl nicht von Dauer sein werde. Im kommenden Jahr werde sich der Preis bei 65 Dollar je Fass einpendeln. Sollte er höher ausfallen, könnte die konjunkturelle Entwicklung ungünstiger verlaufen.

Angesichts dieser Risiken wird Kritik an der Europäischen Zentralbank (EZB) laut. Diese hatte sehr klar angedeutet, die Leitzinsen am 3. August zu erhöhen. „Ich empfinde die Kommunikation der EZB als voreilig“, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Michael Hüther, dem Tagesspiegel. Bei der Kernrate, also ohne den Ölpreis, gebe es keine signifikante Inflation, die eine Zinserhöhung rechtfertige. Wenn in Deutschland nun noch der ZEW-Index sinke und die Mehrwertsteuer erhöht werde, seien dies „keine Themen, die die Geldpolitik auf den Plan rufen sollten. Die EZB sollte abwarten“, sagte Hüther.

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