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Wirtschaft: Holz in den Tank

In Sachsen testet die Industrie eine neue Generation von Biosprit. Sie soll helfen, das Klima zu retten. Bis dahin ist es noch weit

Nur der schwarze Mercedes vor Werkstor 2 deutet darauf hin, was hier einmal entstehen soll. „SunDiesel“ steht in sonnenfarbenem Orange auf der Karosserie. Und „Sunfuel“, ein umweltfreundlicher Sprit aus Holzresten, soll in wenigen Monaten auch aus der großen Anlage fließen, die hier gerade gebaut wird. Bis dahin ist noch einiges zu tun: An der Wand des nagelneuen Stahlbetonbaus im sächsischen Freiberg klafft noch ein großes Loch, durch das der Blick auf silbrigglänzende Tanks fällt. Ein paar Schneeflocken treiben vorbei. Noch liegt große Ruhe über der Baustelle.

Es ist eine Art Zukunftslabor der Automobilwirtschaft, das hier entsteht. In wenigen Monaten wird im Gewerbegebiet des früheren Bergwerksstandortes die weltweit erste Anlage in Betrieb gehen, die Biomasse wie Holz oder Stroh in umweltfreundlichen Sprit umwandelt. Das Thema hat eine große Dynamik entwickelt, seit die EU-Kommission vergangene Woche strengere Abgasregelungen für Autos beschlossen hat. Bis 2012 müssen Hersteller den Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen von derzeit 163 Gramm pro Kilometer auf 120 Gramm pro Kilometer senken – nicht nur über eine bessere Motorentechnik, sondern auch durch Anrechnung von Biosprit.

Die Autoindustrie tut sich schwer mit den neuen Grenzwerten. „Um die Abgase zu senken, müssen neben verbrauchsärmeren Motoren auch entsprechende Kraftstoffe her“, sagt Volkswagen-Sprecherin Stella Pechmann. Der Autokonzern zählt neben Daimler-Chrysler und Shell zu den Investoren des 100-Millionen-Euro-Projekts in Freiberg. Auch die Bundesregierung schießt Geld dazu.

In der neuen Anlage in Sachsen soll einmal der vielversprechendste Kraftstoff der Zukunft produziert werden: BTL, das steht für Biomass-to-Liquid (flüssige Biomasse). Vielversprechend deshalb, weil der Sprit beim Verbrennen nur so viel CO2 abgibt, wie die Pflanzen vorher aus der Luft gespeichert haben und weil viele verschiedene Rohstoffe genutzt werden können. „Außerdem müssen die Tanks dafür nicht extra umgerüstet werden“, sagt die VW-Sprecherin.

Noch ist das kaum mehr als ein großes Experiment. Erst Ende des Jahres werde der Probebetrieb starten, sagt Matthias Rudloff, Chef der Unternehmensentwicklung bei Choren Industries, das die Anlage betreibt. Irgendwann einmal sollen hier 15 000 Tonnen BTL jährlich produziert werden. Die nötigen Rohstoffe kommen aus der Umgebung – aus dem sächsischen Staatsforst, aus Sägewerken und von einem Recyclingholzaufbereiter.

Die Anfänge des Unternehmens hat Maschinenbauingenieur Rudloff noch nicht miterlebt. Damals, 1990, machten sich vier Mitarbeiter eines DDR-Instituts namens Orgreb selbstständig – und gründeten die Umwelt- und Energietechnik Freiberg, aus der später Choren hervorgehen sollte. Die Mitarbeiter, inzwischen sind es 190, haben das weltweit patentierte „Carbo-V-Verfahren“ entwickelt, mit der Biomasse wie Holzreste oder Stroh zu Synthesegas verarbeitet wird (siehe Grafik). In einem zweiten Schritt wird das Gas zu flüssigem Biokraftstoff verarbeitet.

Doch es werden noch Jahre vergehen, bis der Biosprit in die Tanks deutscher Autos fließt. Das liegt auch daran, dass BTL im Vergleich zu fossilen Brennstoffen noch viel zu teuer ist. Rund 80 Cent kostet es, einen Liter Biodiesel zu produzieren. Zum Vergleich: An der Tankstelle lag der Nettopreis (ohne Steuern) für einen Liter konventionellen Diesel am Freitag bei 45,9 Cent. Das ist ein Grund, warum Ölkonzerne wie Exxon Mobile noch skeptisch sind. „Jetzt schon große Hoffnungen zu wecken, ist Irrsinn“, sagt der deutsche Sprecher Karl-Heinz Schult-Bornemann. „Die Technik ist noch ganz am Anfang.“

Billiger wird der Sprit erst dann, wenn er in Massen produziert wird – vorausgesetzt natürlich, die Technik bewährt sich. „Wir müssen sehen, dass wir in Europa schnellstmöglich zu Großanlagen kommen“, sagt Rudloff. Ab 2010 soll die zweite Anlage laufen. Die besten Chancen auf das 500-Millionen-Euro-Investment hat Brunsbüttel. Fünf Anlagen à 200 000 Tonnen will Choren bis 2015 in Deutschland bauen, 60 sollen bis 2020 in Europa stehen. Mit ihnen könnten zehn bis zwölf Millionen Tonnen BTL produziert werden, die normalem Sprit beigemischt werden. Dass der SunDiesel fossile Rohstoffe einmal ersetzen wird, erwarten nicht einmal die Investoren selbst. Rudloff: „Der erste Ansatz muss immer sein, den Kraftstoffverbrauch zu senken.“

Vorher allerdings müssen noch einige Dinge geklärt werden. Etwa die, wo die nötigen Rohstoffe herkommen sollen. „Es gibt genügend ungenutzte Wälder, vor allem in Osteuropa“, beruhigt Rudloff. Agrarexperten sehen durch Billig-Exporte aber bereits neue Gefahren aufziehen: lange Transportwege und neue Abhängigkeiten. „Man kann nicht von CO2- neutralem Sprit reden, wenn man um jeden Preis höhere Erträge erzielen will“, mahnt Michael Wachendorf, Agrarprofessor von der Uni Kassel. „Damit verlagert man die Probleme nur.“

Größere Angst hat die Industrie davor, dass ihnen die Politik die nötige Unterstützung versagen könnte. „Wir brauchen auch für BTL eine steuerliche Förderung, damit sich die Investitionen in Großanlagen lohnen“, sagt VW-Sprecherin Pechmann. Unterstützung erhält die Industrie von der Deutschen Energie-Agentur. In einer Studie empfiehlt sie eine zeitlich befristete Förderung über 2015 hinaus – um BTL „zum Durchbruch zu verhelfen“.

Maren Peters[Freiberg]

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