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Wirtschaft: „Hosenträger und Gürtel dazu“

Fernseh-Börsianer Frank Lehmann über das Sicherheitsdenken der Deutschen

Herr Lehmann, das vergangene Börsenjahr dürfte auch einem alten Hasen wie Ihnen Spaß gemacht haben.

Als ich 1989 angefangen habe, stand der Dax bei 1460 Punkten, dazwischen waren wir bei 8100, jetzt sind wir bei 6400 - da kann man sich gut verabschieden.

Die meisten Kleinanleger haben sich den Spaß nicht gegönnt. Sie kaufen keine Aktien und geben sogar massenhaft Aktienfonds zurück. Woran liegt das ?

Das gab es noch nie, dass Aktienfonds in so einem guten Börsenjahr einen derart hohen Abfluss hatten, die Anleger also aus den Fonds förmlich flüchten. Aber ganz verabschieden sie sich nicht von der Börse. Sie schichten um, in zinssichere Geldmarktfonds und Zertifikate. Sie wollen totale Sicherheit – Hosenträger und noch den Gürtel dazu. Bei Zertifikaten, sagen die Berater, gäbe es solche Sicherheitspuffer. Das ist nicht falsch, aber nicht jedermanns Sache. Für Banken und Sparkassen ist das eine neue lukrative Masche. Aber Aktienfonds gehören in ein solides, langfristig ausgerichtetes Depot.

Auch Sie haben es mit Ihren flotten Erläuterungen nicht geschafft, Kleinanleger von Aktien zu überzeugen.

Viel Zeit haben wir ja vor der Tagesschau nicht. Zwei bis drei Minuten. Da kann man nur an der Oberfläche kratzen. Aber wir bilden den Börsentag ab mit den wichtigsten Ereignissen, und das nett verpackt. Das reicht den meisten Zuschauern. Der Finanz-Analphabetismus in Deutschland ist trotzdem und leider immer noch weit verbreitet.

Was braucht es, dass aus den Deutschen wirklich ein Volk von Aktionären wird?

Wir hatten ein Pflänzchen für die Aktienkultur, ausgetrieben vor zehn Jahren durch die Telekom-Aktie. Selbst Tagesschau-Redakteure, Politologen und Soziologen, die nie was mit Wirtschaft und Börse am Hut hatten, haben das Papier gekauft. Dann kam der Neue Markt und eine nie gekannte Aktien-Euphorie. Jeder wollte dabei sein, sah die Börse als automatische Gelddruckmaschine. Die Gier war plötzlich viel größer als die Angst. Dann platzte die Blase. Auch ich hatte eine solche dramatische Wende nicht erwartet. Viele gebeutelte Anleger sagen heute: Nie mehr Aktien. Schade.

Und jetzt?

Würden sich die Deutschen mehr an den Amerikanern orientieren, würden sie ihr Geld viel besser vermehren können. Die sehen bei Aktien und Fonds in erster Linie die Chancen und nicht die Risiken. Sie lassen Emotionen, Gefühle, Stimmungen besser außen vor als der Deutsche. Hat der mal ein paar Gewinne gemacht, meint er, es läuft mit den Kursen nur nach oben. Der größte Fehler des Anlegers ist die Selbstüberschätzung. Aber er braucht Geduld, Gelassenheit bei der Geldanlage – und keine Emotionen.

Banken und Sparkassen machen auch nicht alles richtig.

Bei der Beratung liegt vieles im Argen. Das sieht man auch an den immer häufigeren Gerichtsurteilen zugunsten der Anleger. Da wird offenbar viel geschlampt.

Verstehen die Deutschen genug von Wirtschaft und Börse?

Eindeutig nein. Das fängt schon bei der Ausbildung der Lehrer an. Bei denen hört das Thema Wirtschaft im Studium oft bei Karl Marx auf. Da fällt dir nichts mehr ein. Im Schulunterricht wird Ökonomie sträflich vernachlässigt. Warum sonst werde ich so oft gerade zu Vorträgen in Schulen eingeladen?

Welche Aktien hat Frank Lehmann im Depot. Oder setzt er auf Fonds?

Auf breit gestreute Fonds. Von jedem etwas. Aber Lehmanns Einsätze sind nicht hoch. Ein paar Einzelaktien auch und sogar noch ein Rest vom Neuen Markt. Hatte mir damals meine Sparkasse empfohlen: Da könne nix passieren. Von wegen. Insofern hat sich auch Lehmann von der Gier anstecken lassen. Waren zum Glück nur 200 Euro.

Wo steht der Dax in einem Jahr?

7000 Punkte sind bis Ende 2007 drin. Das Umfeld für die Börse sieht sehr gut aus. Die Chancen überwiegen. Das hilft auch meinem kleinen Depot.

Das Gespräch führte Rolf Obertreis

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