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Seit März 2008 leitet Tobias Ragge (37) das Familienunternehmen in zweiter Generation. Der Diplom-Kaufmann startete seine berufliche Laufbahn 2002 bei der Lufthansa. 2004 stiegt er als Assistent der Geschäftsleitung bei HRS ein.

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Exklusiv

HRS-Geschäftsführer Ragge im Interview: HRS-Geschäftsführer Ragge: "Wir werden nicht fair behandelt"

Tobias Ragge, Chef des Hotelreservierungsportals HRS, spricht im Tagesspiegel-Interview über Hotels in der Hauptstadt, Kundenbewertungen und warum er sich gegen die Untersagung der Bestpreisklausel wehrt.

Herr Ragge, wann haben Sie zuletzt über HRS ein Hotel gebucht?
Am Donnerstag.

Wo ging es hin?
Ich habe mich ganz kurzfristig entschieden, in Nürnberg Station zu machen. Das sehen wir bei Geschäftsreisenden sehr häufig. Drei Viertel der mobilen Buchungen passieren am Reisetag oder einen Tag zuvor. Privatreisen werden natürlich in der Regel längerfristig gebucht.

Wie viele Leute buchen über HRS?
Mehrere Millionen Menschen. Die genaue Zahl ist unser Geheimnis.

Fachleute sagen, Ihr Marktanteil liege bei etwa 34 Prozent. Da wissen Sie sehr genau, was die wichtigsten Trends sind.
Wir beobachten einen Trend zur Individualisierung: Boutique-Hotels werden immer beliebter, das sind kleinere Häuser mit maximal 70 Zimmern, die nicht im Einheitsstil gestaltet sind und meist privat geführt werden. Einen anderen Trend sehen wir im Niedrigpreis-Segment: Dort wird das Angebot qualitativ immer besser und geht weg von uniformen Lösungen hin zu Lifestyle-Konzepten.

Welche Reiseziele sind besonders beliebt?
Wir sehen einen Boom in den Schwellenländern als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Unternehmen globalisieren sich und die Investitionen in China, Indien oder Brasilien spiegeln sich auch in unseren Buchungen. Im Freizeitbereich beobachten wir einen Trend weg von den Massenzielen und großen Ferienanlagen hin zu individuelleren und naturnahen Zielen. Eine nachgelagerte Folge der Finanzkrise ist auch, dass viele Menschen im Heimatland Urlaub machen. Im vergangenen Sommer waren die Ferienorte an Nord- und Ostsee sehr gefragt. Das ist ein Trend, den wir seit drei Jahren beobachten und wir erwarten, dass das auch in diesem Jahr so sein wird.

Wie gut läuft Berlin?
Bei Geschäftsreisenden zählt Berlin natürlich nicht zu den Boom-Städten. Aber die Stadt lebt von ihrer unglaublichen Anziehungskraft bei ausländischen und inländischen Touristen. Bei denen ist Berlin hierzulande die erste Wahl.

Als Berliner hat man das Gefühl, dass es hier inzwischen zu viele Hotels gibt.
In Berlin gibt es zwischen 700 und 800 Hotels – je nachdem, was für Übernachtungsmöglichkeiten man dazurechnet. Das ist für eine so große Stadt eigentlich nicht zu viel. In Rom gibt es 1200 Hotels, 2000 in Paris und 3000 in Schanghai. Die Tatsache, dass die Preise in Berlin mit durchschnittlich 85 Euro für ein Zimmer im Vergleich zu anderen Metropolen sehr günstig sind, ist ein Ausdruck von extrem viel Wettbewerb. Die Auslastung der Berliner Häuser liegt bei 69 Prozent. Deutschlandweit liegt die durchschnittliche Zimmerauslastung bei gut 64 Prozent. Ich würde sagen, das Berliner Angebot ist angemessen.

Über Ihre Buchungen sammeln Sie viele Informationen über Angebot und Nachfrage und die Vorlieben der Kunden. Was machen Sie mit den Daten?
Wir nutzen die Suchdaten zur Optimierung unseres Angebots. Personenbezogene Daten werden bei HRS nicht erfasst. Sie müssen bei einer Buchung nur ihren Namen und ihre Email-Adresse angeben.

Aber anonymisierte und aggregierte Daten könnten doch wichtige Informationen für Hotelbesitzer liefern.
Wir stellen den Hotels eine Reihe von Informationen zur Verfügung. Aber Datenanalyse ist nicht unsere Kernkompetenz. Wir arbeiten an anderen Dingen.

Woran arbeiten Sie denn?
Vor allem daran, die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen und die Zufriedenheit mit unserem Angebot sicherzustellen, indem wir die Daten besser aufbereiten und die Kunden schneller das passende Hotel finden. Und wir arbeiten an neuen Technologien. Zwölf Prozent unserer Buchungen laufen heute bereits über mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets. 2014 werden es voraussichtlich schon 20 Prozent sein.

Was ist die größte Veränderung, die das Internet für Ihre Branche gebracht hat?
Transparenz. Früher waren Preise und Qualität für Kunden kaum vergleichbar und Hotels haben ihre Zimmer zu den unterschiedlichsten Preisen angeboten. Auf diese neue Transparenz mussten sich die Hoteliers erst einmal einstellen. Vor allem positive Gästebewertungen sind heute die wichtigste Visitenkarte für Hotels.

"Wir sehen uns daher gegenüber anderen Plattformen benachteiligt."

Das Kartellamt war der Meinung, HRS hat zu viel Macht und hat Ihnen die Bestpreisklausel verboten. Die besagte, dass ein Hotelier nirgendwo ein Zimmer billiger anbieten durfte als bei Ihnen.
Das Kartellamt hat diese Klausel zuerst abgemahnt und dann untersagt. Wir wenden Sie seit zwei Jahren nicht mehr an. Wir haben jetzt gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt, weil der deutsche Gesetzgeber hier einen Sonderweg geht. In den USA und Großbritannien haben Gerichte bei entsprechenden Klagen gegen die Bestpreisklausel anders entschieden. Dort herrscht die Überzeugung, dass sie für mehr Effizienz im Markt sorgt. Wir sehen uns daher gegenüber anderen Plattformen benachteiligt. Und wir sind in Deutschland das einzige Unternehmen, dem die Klausel untersagt wurde. Wir werden also nicht fair behandelt.

Sie wenden die Klausel nicht mehr an. Was hat das für Folgen?
An der grundsätzlichen Preisgestaltung der Hotels hat sich nichts geändert.

Strafen Sie Hotels mit einem schlechten Listenplatz ab, wenn sie sich nicht freiwillig an die Bestpreisklausel halten?
Dieser Vorwurf wurde einmal geäußert, dem ist aber nicht so.

Wie funktioniert denn die Anzeige der Ergebnisse?
Das ist ein komplexer Algorithmus, der auf den Suchkriterien der Kunden basiert, was zum Beispiel die Lage und die angebotenen Services betrifft. Alles in allem sind es mehr als 100 Kriterien, die sich auch dynamisch verändern. Aber Sie müssen verstehen, dass dies ein Geschäftsgeheimnis ist – ebenso wie der Algorithmus von Google oder das Rezept von Coca-Cola.

Wenn ich für 100 Euro ein Hotel über Ihre Plattform buche, wie viel behält HRS davon?
Wir bekommen 15 Prozent Kommission für jede Buchung. Wenn Sie sich den Markt anschauen, dann liegen 15 Prozent am unteren Ende der marktüblichen Vertriebskosten. Eine Ausnahme sind selbst verhandelte Firmenraten, die bei uns für Firmenkunden kostenfrei integriert werden, so dass wir im Schnitt auf etwas mehr als elf Prozent Kommission kommen.

Sie haben erwähnt, dass immer mehr Kunden mobil buchen, an welchen technischen Veränderungen arbeiten Sie noch?
Das nächste große Thema ist die Personalisierung der Buchung. Wir wollen die Suche immer weiter verfeinern, so dass der Kunde genau das Hotel findet, das am besten zu seinen individuellen Wünschen passt.

Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?
Vor allem in Asien. Wir haben inzwischen fünf Büros dort, um vom dortigen Wachstum zu profitieren. Vor wenigen Tagen haben wir ein Büro in Tokio eröffnet.

Sie haben in Österreich das Portal Tiscover übernommen, dessen Angebot von Ferien auf dem Bauernhof bis zum Fünf-Sterne-Wellnesshotel sich vor allem an Urlauber richtet. Bauen Sie dieses Angebot auch für Deutschland aus?
Tiscover ist ein Portal, das sich explizit auf die Alpenregion konzentriert und auf den Freizeitbereich. Unser neues Blind Booking Portal Surprice Hotels konzentriert sich ebenfalls sehr stark auf Freizeitreisende. Über zukünftige Projekte reden wir erst, wenn es soweit ist.

Wer ist ihre stärkste Konkurrenz: Ist es Google oder sind es andere Reiseportale?
Google liefert uns Kunden, buhlt aber andererseits auch mit eigenen Angeboten um diese Kunden. Unsere Hauptwettberber sind aber andere Portale. Vor allem in den USA gibt es starke Anbieter aber auch in anderen Märkten wie zum Beispiel China gibt es starke lokale Konkurrenz.

Die Firma: 1972 gründete Robert Ragge als Reisebüro zur Vermittlung von Zimmern zu Messezeiten. Heute betreibt HRS – Hotel Reservation Service ein Hotelportal in 190 Ländern und verzeichnet durchschnittlich zwölf Millionen Besuche pro Monat. Die Unternehmensgruppe unterhält Niederlassungen in 13 Ländern und beschäftigt mehr als 1300 Mitarbeiter weltweit.

Der Chef: Seit März 2008 leitet Tobias Ragge (37) das Familienunternehmen in zweiter Generation. Der Diplom-Kaufmann startete seine berufliche Laufbahn 2002 bei der Lufthansa. 2004 stiegt er als Assistent der Geschäftsleitung bei HRS ein.

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