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Nicht nur Privatsache. Für viele junge Mitarbeiter gehört es zum Berufsalltag, soziale Netzwerke wie Facebook zu nutzen. Darüber pflegen sie häufig auch berufliche Kontakte oder holen sich Ideen für den Job. Manche Chefs tun sich jedoch schwer damit, die Nutzung zu akzeptieren. Foto: dpa

© picture alliance / dpa-tmn

Wirtschaft: Jenseits des Dienstwegs

Sie fühlen sich im Internet zuhause – und in vielen deutschen Unternehmen fremd. Mit ihrer Arbeitshaltung stoßen Angehörige der digitalen Generation auf Widerstände bei Chefs und Kollegen

Wer zeigen möchte, dass er die Commerzbank mag, braucht beim Internet-Netzwerk Facebook nur auf den „Like“-Button zu drücken. Es sei denn, er ist bei der Bank selbst beschäftigt. Denn vielen Mitarbeitern sperrt die Commerzbank den Zugang zu dem sozialen Netzwerk. Schließlich würden die Seiten vornehmlich zu privaten Zwecken genutzt. „Soziale Netzwerke mit Bezug zu geschäftlichen Aktivitäten, etwa Xing oder Linkedin, sind dagegen frei zugänglich“, sagt eine Sprecherin der Bank.

Nicht nur bei der Commerzbank treffen digitale und analoge Welt aufeinander: Porsche-Fans können zwar bei Facebook der „Porsche-Familie“ beitreten und alles über die neuen Modelle aus Zuffenhausen erfahren. Mit wenigen Mausklicks kann man den eigenen Porsche gestalten: Wunschmodell auswählen, Lackierung und Alufelgen aussuchen und fertig ist der Traumwagen, den man auf der eigenen Facebookseite seinen Freunden zeigen kann. Vorausgesetzt, die arbeiten nicht bei Porsche – denn Mitarbeiter an vielen Firmenstandorten bekommen statt der Webseite nur eine Fehlermeldung zu sehen. Die Begründung: Sicherheitsbedenken.

In vielen deutschen Unternehmen machen Verbote und Richtlinienkataloge den Pionieren der sogenannten Generation Y, die in den 1980er und 1990er Jahren geboren und mit Computern, Internet und Handy groß geworden sind, das Leben schwer. Bestens verdrahtet und vernetzt können sie die digitale Welt aus der realen nicht mehr wegdenken. Schon gar nicht aus der Arbeitswelt, in die diese Generation jetzt eintritt. Dort aber treffen sie auf Kollegen und Chefs, die die Begeisterung fürs Digitale oft nicht teilen, und denen sie in Sachen Facebook, Twitter und Co. meilenweit voraus sind. Konflikte sind programmiert.

FLEXIBEL UND KOMMUNIKATIV

Diese Erfahrung musste auch Philipp Grosche machen, als er – damals noch als Student – ein Praktikum bei einem namhaften deutschen Industrieunternehmen machte. „Die Nutzung des Internets war kaum möglich, weil die meisten Webseiten gesperrt waren“, sagt Grosche. Die Homepage des Unternehmens war die einzige Seite, auf die man problemlos zugreifen konnte. Der 31-Jährige, selbst einer der Pioniere der Generation Y, arbeitet inzwischen als Strategieberater bei der Unternehmensberatung Accenture, wo er sich als sogenannter Digital Native (siehe Kasten) deutlich wohler fühlt.

„Aus meinem Arbeitsalltag ist das Internet gar nicht mehr wegzudenken“, sagt Grosche. Mit seinen Kollegen kommuniziert er über einen „Instant Messenger“, über den sich Kurznachrichten im Unternehmensnetzwerk verschicken lassen. Und in einem firmeneigenen sozialen Netzwerk kann er auf einen Blick sehen, wer gerade an welchem Projekt arbeitet.

Berufliche Kontakte pflegt er mit dem sozialen Netzwerk Xing, mit Freunden teilt er Fotos, Webseiten und Nachrichten bei Facebook. Die neuen Werkzeuge sind für ihn unverzichtbar, denn als Unternehmensberater ist er viel unterwegs und hat stets mit neuen Kunden zu tun. „Ich muss also flexibel und kommunikativ sein. Die sozialen Medien sind dafür wie gemacht.“

E-MAILS PER AUSDRUCK

Das sehen viele Firmen anders. Eine Studie des Sicherheitsanbieters Clearswift zeigt, dass jedes dritte deutsche Unternehmen den Zugang zu Web 2.0-Angeboten wie Facebook oder dem Kurznachrichtendienst Twitter erschwert oder komplett sperrt. Die Meinungsforscher kamen zu einem überraschenden Ergebnis: Jeder zweite befragte Manager gab an, sich der Bedeutung sozialer Medien für den Erfolg des Unternehmens bewusst zu sein. Trotzdem verbieten die Firmen ihren Mitarbeitern deren Nutzung. Im internationalen Vergleich belegen die Deutschen damit einen unrühmlichen Spitzenplatz: Sie liegen etwa vor den Briten, Niederländern, Amerikanern und Japanern. Nur in Australien wird der Umgang mit dem Internet noch restriktiver gehandhabt.

„Viele Firmen bekennen sich zwar zu den neuen Medien, aber sie handeln nicht entsprechend“, sagt Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Fachhochschule Ludwigshafen. „Man denkt sich: Wir machen das mal. Aber man nimmt das Thema nicht wirklich ernst.“ Berufsstartern, die sich mit dem Internet auskennen, schlüge häufig Misstrauen entgegen. Die Personalexpertin kennt etliche Hürden. In manchen mittelständischen Unternehmen, sagt Rump, würden E-Mails heute noch in der Zentrale empfangen, ausgedruckt und dann an die jeweiligen Empfänger verteilt. „So etwas treibt Digital Natives zur Weißglut“, sagt sie.

FIRMEN MÜSSEN DAZULERNEN

„Viele hochqualifizierte Nachwuchskräfte sagen sich: Wenn ich in dem Unternehmen kein Facebook nutzen darf, möchte ich da nicht arbeiten“, sagt Jan Ehlers. Als Chef der „Corporate Relations“ pflegt er an der Berliner Wirtschaftshochschule ESCP die Beziehungen mit Unternehmen und Absolventen. Ehlers ist davon überzeugt, dass sich die Probleme der Digital Natives lösen lassen. „Die Unternehmen müssen lernen, die Potentiale der neuen Generation zu nutzen“, sagt Ehlers. „Und gleichzeitig müssen die Berufsstarter akzeptieren, dass die ältere Generation anders mit Facebook und Co. umgeht.“

SCHNELLERE KÜNDIGUNG 

Talentierte Absolventen suchen liberalere Arbeitgeber, die die Nutzung des Internets erlauben. Besonders problematisch gestaltet sich der Berufseinstieg der jungen Generation in Unternehmen, in denen das Durchschnittsalter der Belegschaft überdurchschnittlich hoch ist. Aber auch ein geschlossener Führungsstil und rigide Internet-Verbote frustrieren die Digital Natives schnell.

Wenn sich Beruf und Familie dann auch noch kaum vereinbaren lassen – etwa, weil es im Unternehmen keine Betreuungsmöglichkeit für den Nachwuchs gibt oder Teilzeit-Arbeit nicht in Frage kommt – sehen sich die Jobanfänger schnell nach besseren Alternativen um. Denn die Mitglieder der Generation Y sind nicht mehr so stark an ihren Arbeitgeber gebunden wie ihre Vorgänger: Weil von ihnen im Alltag ständige Flexibilität gefordert wird, sind häufige Jobwechsel und Umzüge für sie kein Problem. Dementsprechend fällt ihnen die Kündigung leichter.

Die Furcht vor den neuen Medien sitzt bei vielen Führungskräften tief. Denn Vorgesetzte haben mit den sozialen Netzwerken noch ein ganz anderes Problem: Tatsächlich findet hinter den Fassaden der Firmenzentralen eine kleine Revolution statt, deren Ausmaß noch kaum abzusehen ist. Durch die Verwendung von neuen Medien setzt ein schleichender Prozess ein, der Firmen demokratischer macht, sagt die Beschäftigungs-Expertin Jutta Rump.

NEUE KOMMUNIKATIONSKANÄLE

Wer früher seinen Vorstandschef von einer guten Idee überzeugen wollte, musste viele Hürden überwinden: Zuerst galt es, den eigenen Vorgesetzten für sein Anliegen zu begeistern. Mit viel Glück sprach dieser daraufhin mit seinem Chef. Und der wiederum sprach möglicherweise irgendwann mit dem Vorstand darüber – vorausgesetzt, er kam an der Vorzimmerdame vorbei. „Heute kann man dem Chef gleich eine Kopie der E-Mail zukommen lassen“, sagt Rump. Fernab des regulären Dienstweges entstehen durch die neuen Medien also neue Kommunikationskanäle, von denen die Generation Y regen Gebrauch macht. „Und damit entsteht auch ein Bedarf für mehr Beteiligungsmöglichkeiten.“

Ariane von der Horst telefoniert regelmäßig mit ihrem Chef über Skype. Die 27-Jährige arbeitet in Berlin als Assistentin der Geschäftsentwicklung von Greenvironment. Netzsperren gibt es bei Greenvironment nicht. „Wir nutzen den Internetzugang auf Vertrauensbasis“, sagt von der Horst. Facebook ist für sie ein unverzichtbares Werkzeug, um mit Freunden überall auf der Welt in Kontakt zu bleiben. Mit ihren Kollegen in Berlin kommuniziert sie aber lieber von Angesicht zu Angesicht – und das, obwohl sie zu den Digital Natives zählt. (HB)

Michael Brächer

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