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Wirtschaft: IBM befördert Staudt in den Aufsichtsrat

Das Geschäft und das öffentliche Engagement des IBM-Chefs als Verbandsfunktionär vertrugen sich nicht mehr

Stuttgart (fo). Überraschender Führungswechsel bei der deutschen Tochter des Computerkonzerns IBM: Der bisherige Vorsitzende der Geschäftsführung, Erwin Staudt (54), ist mit sofortiger Wirkung von Walter Raizner (48) abgelöst worden. Staudt führt IBM Deutschland seit 1998 und gilt als einer der prominentesten Vertreter der Computerindustrie in Deutschland. Raizner war zuletzt in den USA für IBM tätig. Wie es am Dienstag in Stuttgart weiter hieß, wird Staudt den Vorsitz des Aufsichtsrats der IBM Deutschland GmbH übernehmen. Er soll sich in dieser Funktion verstärkt um Kunden aus Politik und Verwaltung kümmern. Weitere Veränderungen in der vierköpfigen Geschäftsführung sind nach Angaben des Unternehmens nicht geplant.

„Die Anforderungen von Kunden, Geschäftspartnern und der Öffentlichkeit an das Unternehmen erfordern eine Neuaufstellung auch des Managements der IBM Deutschland“, wird der Führungswechsel in einer Mitteilung begründet. Offenbar waren Staudts operative Aufgaben als Chef der deutschen IBM und seine ebenfalls arbeitsintensive Tätigkeit etwa im Rahmen der InternetInitiative D21 aus Sicht der IBM-Konzernzentrale nicht mehr vereinbar. In Unternehmenskreisen wird darauf hingewiesen, es gebe aber keine Hinweise auf Unzufriedenheit mit dem Deutschlandgeschäft unter Führung Staudts. Generell kämpfe die gesamte Branche nach dem Ende des Internet-Booms gegen flaue Geschäfte. Bis zum inoffiziellen Pensionsalter für IBM-Spitzenkräfte hätte Staudt eigentlich noch sechs Jahre. Intern wird der ungewöhnlich frühe Wechsel mit dem hohen Druck zum Umbau in einen Dienstleistungskonzern begründet, der eine klare Trennung notwendig mache.

Staudt pflegte sehr enge Kontakte zur Politik und machte sich vor allem durch sein Engagement für die Initiative D21 einen Namen, deren Vorsitzender er ist. Vor drei Jahren startete er mit Unterstützung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die so genannte Greencard-Initiative. Ziel ist es, möglichst vielen Internet- und Computerspezialisten aus dem Ausland auf unbürokratischem Wege einen längerfristigen Arbeitsaufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Große Resonanz fand zudem das D21-Engagement „Schulen ans Netz“. Gemeinsam mit der Industrie werden tausende Schulen mit Internetzugängen und der notwendigen Technik ausgestattet.

Staudts Nachfolger Raizner ist seit 1984 bei IBM und war seit 1999 für das weltweite Speichergeschäft des Computerriesen verantwortlich. Sein Büro stand in Somers (US-Bundesstaat New York). Raizners Wechsel nach Baden-Württemberg ist ein Heimspiel für den Diplom-Kaufmann: Er wurde in Aalen (Ostalbkreis) geboren.

Die deutsche IBM-Tochter beschäftigt nach früheren Angaben rund 26 000 Mitarbeiter, nennt jedoch keine eigenen Geschäftszahlen. Weltweit lag der Umsatz von IBM 2001 bei 85,9 Milliarden Dollar. Der Konzern beschäftigte rund 320 000 Mitarbeiter. Zahlen für 2002 liegen noch nicht vor.

IBM ist seit Jahren eine Großbaustelle. Der branchenfremde Vorstandschef Louis Gerstner leitete einen revolutionären Umbau ein, indem er das traditionelle Hardware-Geschäft mit PCs und Großrechnern zu Gunsten von Dienstleistungen und Software zurückschraubte. Auch in Deutschland ist der Umbau zu einem reinen Dienstleistungsunternehmen fast abgeschlossen. Die Produktionswerke in Berlin, Mainz und Stuttgart wurden geschlossen oder verkauft.

Gerstners Nachfolger Sam Palmisano, der sein Amt im März 2002 antrat, setzt diesen Kurs mit Hochdruck fort. Branchenexperten gehen davon aus, dass Palmisano mit neuen Köpfen eigene Akzente setzen und die Expansionsstrategie des Konzerns noch aggressiver als bisher umsetzen will. IBM baute im vergangenen Jahr weltweit mehr als 15 000 Jobs oder fünf Prozent aller Stellen ab. Im Sommer übernahm das Unternehmen die Beratungssparte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) für 3,5 Milliarden Dollar. Die Integration gilt als große Herausforderung. Allein in Deutschland stießen rund 2000 PwC-Berater zu IBM.

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