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Wirtschaft: „Ich teile die Euphorie über Kombilöhne nicht“

Heinrich Alt, Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, über Reformen, die Chancen älterer Arbeitsloser auf einen Job und Ideen für mehr Beschäftigung

Herr Alt, die Bundesagentur für Arbeit hat über 80 verschiedene arbeitsmarktpolitische Fördermaßnahmen im Angebot. Wie viele davon sind wirklich nötig?

Je weniger, umso besser. Wir sind froh, dass die Bundesregierung im nächsten Jahr die Förderinstrumente überarbeiten und straffen will. Nur ein übersichtlicher und wirksamer Instrumentenkasten ist für Arbeitgeber und Arbeitslose sinnvoll. Es wird dann klar, was wir leisten können und was nicht.

Ihre Behörde hat bereits eine Liste mit Vorschlägen erstellt, welche Instrumente verändert oder abgeschafft werden sollen.

Das ist richtig. Zunächst haben wir uns gefragt, ob wirklich alle Instrumente in den Aufgabenbereich der Bundesagentur gehören. Bei dem ein oder anderen Instrument wäre ein anderer Träger sicherlich besser geeignet als wir.

Zum Beispiel?

Wir kümmern uns um die Qualifizierung Jugendlicher, weil aus den Schulen viele zu uns kommen, die noch nicht für eine Ausbildung geeignet sind. Konsequent wäre doch, wenn die Bundesagentur nur ausbildungsreife Jugendliche übernimmt – und bis dahin sind die Jugendlichen in der Obhut der Länder. Schließlich ist Schulbildung Ländersache.

Sie nehmen die Länder ordentlich ran.

Darum geht es nicht. Es geht darum, deutlich zu machen, wofür die Bundesagentur zuständig ist. Sie soll am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ausgleichen und unselbstständige Beschäftigung fördern. Es ist dringend nötig, dass wir unser Profil schärfen.

Die Regierung will die Ich AG, eines der erfolgreichsten Förderinstrumente, zur Jahresmitte abschaffen. Ist das sinnvoll?

Abschaffen ist das falsche Wort. Der Gesetzgeber will aus den bestehenden Existenzförderungsmöglichkeiten, der Ich AG und dem Überbrückungsgeld, ein Instrument machen. Das begrüße ich.

Wie sollte das aussehen?

Die Förderdauer sollte sich am Überbrückungsgeld orientieren, das auf sechs Monate beschränkt ist. Wer eine Ich AG gründet, erhält bisher drei Jahre lang Zuschüsse. So richtig es ist, Existenzgründer zu fördern, so wichtig ist es, das nur für eine beschränkte Zeit zu tun. Der neue Existenzgründerzuschuss sollte künftig auch nicht mehr eine Pflicht-, sondern eine Ermessensleistung sein. Das heißt, die Arbeitsagenturen entscheiden, ob die Förderung gewährt wird.

Würden dann weniger Leute gefördert?

Das ist wahrscheinlich. Wir müssen im Rahmen unseres Haushalts entscheiden, wie viele Menschen wir fördern. Allein im letzten Jahr haben wir für Überbrückungsgeld und Ich AG 3,2 Milliarden Euro ausgegeben. Um die Dimension zu verdeutlichen: In diesem Jahr haben wir für die Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung insgesamt 3,3 Milliarden Euro eingeplant. Wir sind mit Abstand der größte Förderer von Existenzgründern in Deutschland. Da stellt sich die Frage, warum das nur die Beitragszahler finanzieren.

Der Shooting-Star unter den Förderinstrumenten für Langzeitarbeitslose ist der EinEuro-Job, der mit Hartz IV eingeführt worden ist. Derzeit gibt es 250 000 EinEuro-Jobber. Wird die Zahl weiter steigen?

In diesem Jahr vermutlich nicht. Es ist der Anlaufphase von Hartz IV geschuldet, dass viele Langzeitarbeitslose einen Zusatz-Job angeboten bekommen haben. Die Arbeitsgemeinschaften waren im ersten Halbjahr 2005 damit beschäftigt, ihre Aufgaben zu organisieren. Die ZusatzJobs waren ein einfaches und unbürokratisches Instrument.

Das Handwerk klagt, dass durch den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern reguläre Jobs vernichtet werden.

Wir müssen darauf achten, dass die Zusatz-Jobs nicht den Wettbewerb verzerren. Beim Start gab es Probleme. Als in Berlin Schulgebäude mit Hilfe von Zusatz-Jobbern gestrichen wurden, hat die Maler-Innung zu Recht gesagt: Das wäre auch ein schöner Auftrag für uns gewesen. Man muss vor Ort genau hinschauen. Daher wollen wir, dass Beiräte aus den Akteuren am Arbeitsmarkt eingerichtet werden, die prüfen, ob reguläre Beschäftigung gefährdet wird.

Im Niedriglohnbereich erwägt die Bundesregierung nun, Kombilöhne einzuführen. Eine gute Idee?

Kombilöhne gibt es schon jetzt. Die Bundesagentur zahlt Arbeitgebern befristet einen Zuschuss, wenn sie Menschen einstellen, die auf dem Arbeitsmarkt einen Wettbewerbsnachteil haben. Das sind Unqualifizierte, Berufsrückkehrer oder Migranten. Die Politik diskutiert nun, ob durch Kombilöhne auch neue Jobs geschaffen werden können.

Sind denn bis zu drei Millionen zusätzliche Jobs drin, wie manche in der CDU hoffen?

Diese Euphorie teile ich nicht. Ich bin auf der Seite von Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der gesagt hat, dass Kombilöhne nicht finanzierbar sind, wenn sie dauerhaft und flächendeckend gezahlt werden. Der Staat sollte nicht Lohnsenkungen für Unternehmen finanzieren. Für Lohnfindung sind die Tarifpartner zuständig. Natürlich muss man jede Idee prüfen, die einen Beitrag zu mehr Beschäftigung leisten kann. Aber ich habe berechtigte Zweifel, dass von Kombilöhnen ein Beschäftigungsboom ausgeht.

Wie niedrig müssten Löhne sein, die es für einen Arbeitgeber attraktiv machen, neue Jobs zu schaffen?

Wir haben schon jetzt 1,3 Millionen Menschen in Deutschland, die mit einer Vollzeitstelle weniger als 1000 Euro verdienen. Darunter viele, die einen staatlichen Zuschuss brauchen, um ihre Existenz sichern zu können. Es gibt Tariflöhne, die unter vier Euro liegen. Viel weiter nach unten kann es nicht mehr gehen.

Ein Problem ist auch, ältere Arbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen. Es gibt zwar Fördermaßnahmen, doch werden die kaum genutzt. Warum?

Da sind Instrumente dabei, die nicht attraktiv oder nur schwer zu durchschauen sind, etwa der so genannte Beitragsbonus für Arbeitgeber. Unternehmern, die arbeitslose Über-55-Jährige einstellen, wird die Hälfte des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung erlassen.

Das ist doch keine schlechte Idee.

Bei einem Facharbeiter mit 2500 Euro brutto im Monat sind das gerade einmal 75 Euro Ersparnis. Das steht in keinem Verhältnis zum bürokratischen Abrechnungsaufwand, den der Beitragsbonus für den Arbeitgeber bedeutet.

Aber liegt das eigentliche Problem nicht darin, dass es in den Firmen große Vorbehalte gibt, Ältere einzustellen – trotz aller Subventionen?

Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich für Ältere bereits verbessert. Die Erwerbsquote der 55- bis 65-Jährigen ist in den letzten zehn Jahren von 37 Prozent auf 42 Prozent gestiegen. Bei den 55- bis 59-Jährigen zählen wir mittlerweile zwei Millionen Erwerbstätige, das sind 100 000 mehr als noch vor drei Jahren.

Dennoch, über 60 Prozent der deutschen Firmen beschäftigen keine Über-50-Jährigen.

Das stimmt. Ältere sind häufig schlechter qualifiziert als Jüngere. Aber sie haben auch Vorteile: mehr Erfahrung und Routine. Letztlich entscheidet der Unternehmer. Wir können durch Zuschüsse nur ausgleichen, wenn ein älterer Arbeitnehmer Wettbewerbsnachteile hat.

Halten Sie es denn für richtig, im Jahr 2029 die Rente mit 67 einzuführen?

Der Arbeitsmarkt für Ältere wird 2029 ein ganz anderer sein. Allein schon, weil Fachkräfte fehlen werden. Wenn die Politik das Rentenalter erhöht, muss sie aber auch dazu beitragen, dass die Beschäftigungssituation der Älteren sich verbessert. Das ist ein Gebot der Fairness.

Zurück in die Gegenwart. Im Januar ist die Arbeitslosenzahl wieder auf über fünf Millionen gestiegen. Wie wird es in den nächsten Monaten weitergehen?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir im Februar weiter über fünf Millionen Arbeitslose haben werden. Für den März ist eine Prognose schwierig. Das hängt davon ab, wie kalt es bleiben wird. Wir haben aber gute Chancen, dass im Laufe des Jahres der Rückgang bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gestoppt wird. Im Jahresdurchschnitt wird die Arbeitslosigkeit im Jahr 2006 unter dem Niveau des Vorjahres liegen.

Wird es denn einen Beschäftigungsschub geben, wenn 2007 die Arbeitslosenbeiträge um zwei Punkte sinken?

Mit einem wirklichen Schub rechne ich nicht. Die Entlastung ist für den Arbeitsmarkt aber auf jeden Fall hilfreich. Die Experten vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagen uns, dass mittelfristig 100 000 Beschäftigungsverhältnisse entstehen, wenn die Sozialbeiträge um einen Prozentpunkt sinken.

Das Gespräch führten Cordula Eubel und Dagmar Rosenfeld.

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