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Wirtschaft: Ich will Spaß, ich geb Gas

Britische Hersteller bauen Autos ohne Fenster oder Radio – für ihre Kunden zählt nur das Fahrvergnügen

Von Michael Clerizo In den umgebauten Gebäuden eines englischen Bauernhofes stellen vier Mechaniker die komplette Jahresproduktion des Autoherstellers Ariel Motors her – etwa 70 Fahrzeuge. Während die Mechaniker arbeiten, sinniert Firmenchef Simon Saunders über die Zukunft des Autofahrens. „In 50 Jahren wird das Auto so gebraucht werden wie heute das Pferd“, sagte er. „Vor hundert Jahren war das Pferd ein Transportmittel, heute ist es ein Freizeitvergnügen. Das wird Autofahren in 50 Jahren auch sein.“

Saunders hat einmal DesignStudenten gebeten, das Auto der Zukunft zu entwerfen. Heraus kam ein Wagen, in dem ein Computer das Fahren übernahm, während der Besitzer las, telefonierte oder entspannte. Saunders will das Gegenteil: ein Auto für Menschen, die kein Wohnzimmer auf Rädern wollen, sondern Maschinen, die gefahren werden müssen, die das Bedürfnis stillen, die Straße und die Motorkraft zu fühlen. In England, wo Rallyes beliebt sind, haben Fahrzeuge wie das von Ariel gebaute „Atom“ gute Chancen. Saunders sagt, seine Kunden seien meist Männer zwischen 30 und 50 Jahren. Sie seien „sehr erfolgreich und arbeiten hart. Menschen, denen es Spaß macht, auf die Piste zu gehen. Sie haben oft drei oder vier Autos, darunter einen Ferrari oder einen Porsche.“

Der 40-jährige Meyrick Cox hat den Atom nach kurzer Probefahrt sofort gekauft. Der Wagen hat weder Türen noch Dach, Fenster oder Frontscheibe. Er hat ein Stahlrohr-Fahrgestell, Räder, Kotflügel, Radaufhängung, Scheinwerfer und Rücklichter. Die Karosserie ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff; es gibt Platz für Fahrer und Beifahrer. „Der Atom gibt einem ein Gefühl von Freiheit. Man sitzt da mit dem Helm auf dem Kopf, und nichts ist vor einem. Es ist wie Motorrad fahren. Wenn man danach in ein normales Auto steigt, bekommt man Platzangst“, sagt Cox. Für ihn ist die einfache Machart ein großer Vorteil. „Man kann ein teures Auto zur Rallye bringen, aber man braucht viel Werkzeug und eine Crew von Mechanikern, um es am Laufen zu halten. Das alles braucht man beim Atom nicht.“

1999 kaufte der damals 46-jährige Saunders Ariel, einen heruntergekommenen Motorradhersteller. Er verlegte das Werk von Coventry in seine Werkstatt in Somerset. Von Beginn an war ihm klar, dass es keinen Sinn hätte, mit der milliardenteuren Entwicklung bei Ferrari, Ford oder Mercedes zu konkurrieren. Stattdessen sollte der Atom schlicht sein und mit minimalem Aufwand maximale Leistung erreichen. Der 46-jährige Software-Unternehmer Rob Sloman aus Seattle sagt: „Man fährt ihn mit purem Adrenalin.“

Der Adrenalinschub beginnt mit 20000 Pfund aufwärts. Abgesehen von Motor und Getriebe sind alle Teile Handarbeit. Sie werden von Zulieferern hergestellt und von Saunders’ Mechanikern eingebaut. Das fertige Produkt wiegt nur 469 Kilo – ein vergleichbarer Honda CR-V kommt auf 1554 Kilo. Es hat eine Höchstgeschwindigkeit von 224 km/h und beschleunigt von null auf knapp 100 km/h in 3,7 Sekunden. Der Honda braucht 7,1 Sekunden länger. Vorrichtungen wie Antiblockiersystem, Servolenkung, Temporegler oder Klimaanlage hält Saunders für unnötig. Es gibt keine Airbags, aber Sicherheitsgurte für Fahrer und Beifahrer. Saunders empfiehlt, einen Helm zu tragen. Es hat schon einige Unfälle mit dem Atom gegeben, aber keiner der Fahrer wurde verletzt, und alle Fahrzeuge konnten von Ariels Mechanikern repariert werden. Radio und CD-Player gibt es nicht. Wie alle Rennautos hat auch der Atom keinen Kofferraum.

Spaßmobile könne aber nicht nur Neulinge herstellen. Auch der ehrwürdige Autobauer Morgan Motor ist eng mit Rallyes und Rennen verbunden. Die 1909 gegründete Firma sitzt in Malvern Link in Worcestershire, wo 160 Angestellte 600 Autos im Jahr herstellen. Im Jahr 2000 brachte Morgan den Aero 8 auf den Markt. Die Höchstgeschwindigkeit ist 257 km/h. Der Aero 8 macht mehr Zugeständnisse an den Komfort als der Atom – das Auto hat nicht nur Schiebedach, Windschutzscheibe und Radio, sondern auch Airbags, ABS und Servolenkung. Die Karosserie ist einzigartig – sie besteht aus handbearbeiteter Esche wie englische Kutschen im 18. Jahrhundert. Der Aero 8 erinnert an die Wagen der 30er-Jahre und kostet 58000 Pfund. „Holz sieht nicht nur schön aus, riecht angenehm und fühlt sich gut an. Es hat auch eine wissenschaftliche Berechtigung. Crashtests haben ergeben, dass Holz die Wucht des Aufpralls vermindert“, sagt Morgan.

Texte übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Sideways), Matthias Petermann (EU, NHL), Svenja Weidenfeld (Autos) und Christian Frobenius (Portugal).

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