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Wirtschaft: „Ideal ist Hitze von der Seite“

Was Gourmets vom Grillen halten

Herr Pflaum, die Deutschen grillen wie die Weltmeister. Ist das ein Ausdruck kulinarischer Kultur oder ein Rückfall in die Barbarei?

Beim Grillen zeigt sich weniger die Kultur als die Naturverbundenheit der Deutschen, die gern wandern und sich im Freien aufhalten. Traditionell gab es in Deutschland dafür Landgasthöfe, die eine Brotzeit mit guter Wurst, leckerem Käse und frischem Brot anboten. Doch die Brotzeit wurde zum Leid der Nachbarn durch das Grillen ersetzt. Ich persönlich betrachte den Geruch verbrannten Fleisches als Belästigung. In rauchenden Kohlen und brennendem Fett zubereitete Koteletts sind für mich kein Genuss.

Wollen Sie den Deutschen die Freude am Essen im Freien nehmen?

Keineswegs. Es gibt in Deutschland die Tradition der Brotzeit, in England gibt es das Picknick. Im Londoner Hyde Park können Sie beobachten, dass das hohe kulinarische Kultur ist. Das fängt mit der Damasttischdecke und feinem Porzellan an. Dann gibt es ein mehrgängiges Menü mit passend abgestimmter Speisefolge. In den USA gibt es eine große SalatTradition mit einfallsreichen Zutaten wie geriebenem Parmesan, Brotcroutons und Schinken. All das kann man wunderbar im Freien essen und die Nase freut sich.

Benutzen nicht auch Gourmet-Köche manchmal den Grill?

Das kommt vor, aber Profis greifen meist zum Gas- oder Elektrogrill. Wenn es Holzkohle sein soll, achten Kenner darauf, dass kein Fett in die Glut tropft. Ideal ist es, wenn die Hitze von der Seite kommt. Denn verbranntes Fett ist eine Naturbelastung und ungesund. Ebenso zu schwarz gegrilltes Fleisch. Es ist schon erstaunlich, wie die Deutschen auf Abgaswerte bei Autos achten, aber beim Grillen leichtfertig versengtes Fleisch zu sich nehmen.

Ernähren wir uns wie die Neandertaler?

Zumindest gibt es in Deutschland aus kulinarischer Sicht noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Hier sind den Menschen Dinge wie Wohnung, Auto und Kleidung viel wichtiger. In der Deutschen Akademie für Kulinaristik werben wir dafür, dem Essen einen gebührenden Platz einzuräumen. Dabei geht es nicht um eine besonders extravagante Küche. Das gute, einfache Essen mit frischen Zutaten in Ruhe zubereitet – das ist doch ein wunderbarer Genuss. In anderen Ländern ist nach dem Fast Food längst wieder das gemütliche Slow Food gefragt. Das hat sich hierzulande noch nicht durchgesetzt.

Das Gespräch führte Alexander Visser.

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