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Wirtschaft: IHK-Paten: Arbeit statt Altersheim

In einem bekannten Restaurant ganz in der Nähe des Potsdamer Platzes sitzt eine Gruppe grauhaariger Herren: Allesamt gestandene Geschäftsleute mit 30 bis 40 Jahren Berufserfahrung, die mittlerweile in den Ruhestand getreten sind. Ans Ausruhen und Altwerden denkt in dieser Runde allerdings keiner.

In einem bekannten Restaurant ganz in der Nähe des Potsdamer Platzes sitzt eine Gruppe grauhaariger Herren: Allesamt gestandene Geschäftsleute mit 30 bis 40 Jahren Berufserfahrung, die mittlerweile in den Ruhestand getreten sind. Ans Ausruhen und Altwerden denkt in dieser Runde allerdings keiner. Nicht über Prostataleiden und Arterienverkalkung reden die agilen Senioren, sondern über Prozessoptimierung und Akquisitionen. Sie sind Paten, die ehrenamtlich für die Berliner Industrie- und Handelskammer arbeiten.

"Im Rahmen unseres Patenschaftsmodells vermitteln wir krisengeschüttelten klein- und mittelständischen Betrieben erfahrene Manager, die den Unternehmern ein Jahr lang beratend zur Seite stehen", sagt IHK-Projektleiter Manfred Wegner. Durch diese gezielte Unterstützung konnten in Berlin seit der Geburtsstunde des Patenschaftsmodells im Jahr 1994 insgesamt 3800 Arbeitsplätze gesichert werden.

Dazu gehören auch die 23 Stellen bei dem ostdeutschen Antriebssystemhersteller Transresch in Berlin-Marzahn. Die Unternehmensgeschichte der Transresch reicht bis in die vierziger Jahre zurück: 1949 wurde der Betrieb von AEG gegründet, zwölf Jahre später unter dem Namen "Elektroprojekt und Anlagenbau Berlin" der Ost-Planwirtschaft einverleibt, nach dem Mauerfall von dem Ost-Berliner Elektroanlagenbauer Elpro übernommen und 1998 an die Schorch LDW weiterverkauft. Den langen "Wanderjahren" folgten harte "Lehrjahre": Im November 1998 meldete die Mutterfirma in Bremen Konkurs an.

"Der Geschäftsführer hat mir lapidar erklärt, dass unsere Zusammenarbeit beendet ist", sagt Manfred Cyris, damaliger Leiter der Berliner Außenstelle und heutiger Geschäftsführer der Transresch. "Wollten meine Kollegen und ich nicht auf der Straße landen, mussten wir sofort handeln."

Die einzige Chance für Cyris und sein Team war, den Betrieb auf eigene Beine zu stellen. Doch das war nicht so einfach: Für die Firmengründung blieben nur drei Monate Zeit, ansonsten drohte eine Übernahme in die Auffanggesellschaft. Binnen weniger Wochen musste ein komplettes Unternehmenskonzept erstellt werden - eine Herausforderung, die schon routinierte Geschäftsleute ins Schwitzen bringt. Diplom-Physiker Manfred Cyris, der mit 54 Jahren plötzlich zum "Jungunternehmer" wurde, aber keine Ahnung von komplizierten Themen wie Finanzierung und Unternehmensführung hatte, wäre an der Aufgabe fast verzweifelt.

Einen professioneller Unternehmensberater konnte sich der Betrieb angesichts der katastrophalen Finanzlage nicht leisten. Öffentliche Beratungsstellen für Existenzgründer fühlten sich für den Fall Cyris nicht zuständig. Und auch Behörden, Banken und Gewerkschaften verweigerten ihre Unterstützung. "Dabei sind elektronische Antriebssysteme ein weltweit gefragtes Produkt", sagt Cyris. "Außerdem haben wir auch damals schon über das technische Know-how und einen großen Kundenkreis verfügt." Erst bei der IHK Berlin fand Manfred Cyris dann in Form des Patenschaftsmodell die so dringend benötigte Hilfe. Als Pate wurde dem angehenden Unternehmer Detlef Heller zur Seite gestellt - als ehemaliges Vorstandsmitglied der Genossenschaftsbank ein alter Hase im Finanzierungsgeschäft. Nach über 100 Pateneinsätzen in den vergangenen vier Jahren war Vorruheständler Heller für die Probleme mittelständischer Betriebe sensibilisiert. "Der Transresch fehlte eine klare strategische Ausrichtung und ein fundierter Finanzierungsplan", sagt Heller.

Der Pate machte sich an die Arbeit. Er überarbeitete das Unternehmenskonzept, legte das taktische Vorgehen für die anstehenden Finanzierungsgespräche bei den Banken fest, vermittelte Jungunternehmer Cyris die richtigen Ansprechpartner und weihte ihn in die Sprache der Banker ein.

"Die Tipps von Herrn Heller haben mir vor allem die nötige Sicherheit für meine neue Aufgabe als Geschäftsführer gegeben", resümiert Cyris. Der Geschäftsbericht der Transresch für das zweite Geschäftsjahr zeigt, dass die Patenschaftshilfe funktioniert hat: Das Unternehmen hat seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gesteigert und sieben neue Mitarbeiter eingestellt.

Auch die 16 Arbeitsplätze in dem Kreuzberger Betrieb von Ulrich Schwärzel konnten dank eines IHK-Paten gesichert werden. Seine Firma fertigt Präzisionsteile für die Industrie und steckte tief in den roten Zahlen, als er die Hilfe der IHK anrief. Die schickte Joachim Schröder vorbei. Der 65-jährige ehemalige technische Direktor der Paul Hartmann AG, der seit Gründung des Patenschaftsmodells Mitglied in der Riege der Senioren-Berater ist, holte die Firma mit einer genau kalkulierten Kostenplanung aus der Verlustzone. "Die kaufmännische Beratung ist aber nur ein Teil meiner Arbeit", sagt Schröder. "Mindestens genauso wichtig ist es, den Unternehmern in der schwierigen Situation Mut zu machen und ihr Selbstvertrauen zu stärken."

Das Motivationstraining von Joachim Schröder hat sich gelohnt: Ulrich Schwärzel ist es gelungen, das für 2000 angepeilte Umsatzziel von 1,7 Millionen Mark um 600 000 Mark zu überschreiten.

Dagmar Rosenfeld

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