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Wirtschaft: Ihr Kinderlein kommet

Familienpolitik ist sinnvoll – aber sie wäre besser, wenn sie mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Mütter nähme

Weihnachten, das Fest der Kinder, wird wie immer gefeiert. Es gehört zu den vielen Widersprüchen, die mit Weihnachten verbunden sind, dass inzwischen viele Menschen überzeugt sind, Deutschland sei ein kinderfeindliches Land. In der Tat bietet Deutschland keine optimalen Bedingungen für Heranwachsende. Das liegt vor allem daran, dass Deutschland ein mütterfeindliches Land ist. Würden die Lebensbedingungen für Mütter – und Väter – verbessert, ginge es auch den Kindern besser.

Junge Frauen, die ihre Ausbildung heute schneller und besser abschließen als junge Männer, wollen zu Recht ihre Qualifikation – ebenso wie Männer – in einer Berufstätigkeit umsetzen. Junge Menschen wollen aber auch Kinder haben. Viel zu spät endlich hat die Politik in Deutschland erkannt, dass sie bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit schaffen muss. Sonst werden immer weniger Kinder geboren. Schon in den letzten zwei Jahrzehnten sind nahezu 20 Prozent der Frauen kinderlos geblieben - bei den Männern sind es sogar noch mehr.

Kleine Kinder sind für erwerbstätige Eltern ein organisatorisches Problem, da es zumindest in Westdeutschland zu wenig Kindergärten gibt, die ein Mittagessen anbieten. In der Grundschule werden die Probleme noch größer. Die Grundschulen bieten oft keine zuverlässige Betreuung. Obendrein wird erwartet, dass die Mutter zu Hause ein warmes Mittagessen serviert und anschließend die Hausaufgaben beaufsichtigt.

Das artet – wie eine Längsschnittuntersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zeigt – bei vollzeiterwerbstätigen Müttern in so großen Stress aus, dass sie oft auf ein zweites Kind verzichten. Doch auch Mütter, die ihren Beruf aufgeben, sind nicht besonders glücklich. Am zufriedensten sind teilzeiterwerbstätige Mütter – die sind aber auf Kinderkrippen, Kindergärten und Grundschulen angewiesen, die über Mittag eine verlässliche Betreuung bieten. Und Kindern aus „bildungsfernen“ Elternhäusern wäre mit längeren Schulstunden mehr geholfen als mit einer Latte von Hausaufgaben, die eher schlecht als recht erledigt werden. Kurzum: ein Ausbau der Kinderbetreuung, von Ganztagsschul-Angeboten und Bildung und Erziehung außerhalb der Schule, ist „kinderfreundlich“, weil dadurch auch den Eltern geholfen wird.

Und wenn Schul- und Jugendämter endlich anerkennen, dass in der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen zunehmend kommerzielle „Lernorte“ wie Internetcafés, Fitness-Studios und Nachhilfeorganisationen eine Rolle spielen, dann kostet eine bessere Zusammenarbeit mit diesen Anbietern den Staat noch nicht einmal Geld.

Trotzdem darf man nicht darum herumreden: eine gute Infrastruktur für vorschulische Einrichtungen und besserer Schulen erfordern auf Dauer zusätzliche zweistellige Milliardenbeträge. Wenn Deutschland ein kinder- und mütterfreundliches Land werden soll, muss die Bundesregierung der Familien- und Bildungspolitik dieselbe Priorität einräumen wie der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik. Ausreichend Geld dafür steht realistischerweise nur zur Verfügung, wenn der Staat auf den weiteren Ausbau der traditionellen familienpolitischen Transfers verzichtet. Sprich: es ist kinderfreundlich, wenn das Kindergeld zu Gunsten der Kinderbetreuung eingefroren wird. Und Geld für Ganztagsschulen nützt Müttern mehr als ein Rabatt zur Rentenversicherung.

Zwar haben alle Recht, die wie viele Verfassungsrichter argumentieren, dass die Leistung der Mütter für die gesamte Gesellschaft honoriert werden muss. Ohne Nachwuchs können weder Wirtschaft noch soziale Sicherung funktionieren. Aber bessere Kinderbetreuung bringt mehr als Kindergeld und Babyjahre in der Rentenversicherung.

Denn wenn Mütter und Väter Kinder und Erwerbstätigkeit problemloser als bisher miteinander kombinieren können, dann haben sie durch ihre Erwerbsarbeit unter dem Strich viel mehr Geld in der Tasche, als ihnen der Staat als Unterstützung zahlen kann. Und: Sie sind zufriedener mit ihrem Leben.

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