zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Im härter werdendenWettbewerb zeigt sich die Börse erfinderisch

Der Freiverkehr ist das Zugpferd der BerlinerVON DANIEL RHEE-PIENINGErst kürzlich traf man sich wieder einmal zu einem Arbeitsgespräch imBerliner Roten Rathaus.Thema: Die Zukunft des Börsenplatzes Berlin.

Der Freiverkehr ist das Zugpferd der BerlinerVON DANIEL RHEE-PIENING

Erst kürzlich traf man sich wieder einmal zu einem Arbeitsgespräch imBerliner Roten Rathaus.Thema: Die Zukunft des Börsenplatzes Berlin.Teilnehmer: Wirtschaftsstaatssekretär Dieter Ernst, der Präsident derBerliner Wertpapierbörse, Leopold Tröbinger, BörsengeschäftsführerJörg Walter, Vertreter des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums, derUnternehmensverbände und der Landeszentralbank.Eines ist allen Beteiligenklar: Der im vergangenen Juli erfolgte Umzug in den neuen Börsensaal imLudwig-Erhard-Haus reicht nicht."Für die Hauptstadt Berlin", so Ernst,"und deren Finanzplatz ist die Börse ein bedeutsamerwirtschaftspolitischer Standortfaktor und ein wichtiges Instrument derWirtschaftsförderung, das es zu erhalten gilt".Und derGeschäftsführer der Unternehmensverbände, Christian Amsinck, mahnte mitBlick auf das in Berlin rückläufige traditionelle Geschäft sei es"höchste Eisenbahn", daß die Gespräche über die Zukunft desBörsenplatzes intensiviert würden.War der Börsenplatz Berlin in den "Goldenen Zwanziger Jahren" nach Londonnoch der wichtigste Finanzplatz in Europa, so kämpft er heute um seinenFortbestand.Immer mehr Umsätze wanderten nach Frankfurt (Main) ab, dieBüros der ortsansäßigen Banken im Börsensaal verwaisten, einigeGroßbanken zogen ihren Eigenhandel ab.Dabei sank die Zahl der AmtlichenKursmakler kontinuierlich.Eine der Ursachen für den Niedergang ist aberauch der Handel per Computer.Das Integrierte Börsenhandels- undInformationssystem (Ibis) in Frankfurt startet täglich um 8 Uhr und endetum 17 Uhr.Es macht die Bankenvertreter vor Ort überflüssig.DerMarktplatz der Wertpapiere wird zur Domäne der Elektronik.Übelaufgestoßen sind den Berlinern die wiederholten Vorstöße desdesignierten Deutsche-Bank-Chefs Rolf E.Breuer, der den deutschenWertpapierhandel am Main konzentrieren will, um so den FinanzplatzDeutschland für den Weltmarkt fit zu machen.Doch Breuer wollte dies danndoch nicht so eng verstanden wissen; schließlich, so räumte er ein,brauche die deutsche Hauptstadt eine Börse.Und der 1996 untermaßgeblicher Beteiligung von Breuer gegründete Aktionskreis "Finanzplatz"versprach gar, auch für die Regionalbörsen im Ausland zu werben.Zudemregte sich an der Spree ein wenig Hoffnung, als im Herbst 1995 dassogenannte Kooperations-Modell geboren wurde.Nun wollen Frankfurt,München, Düsseldorf und eben Berlin zusammenarbeiten, der Fortbestanddieser drei Regionalbörsen ist zunächst einmal gesichert.Vorgesehen istnicht nur die Zusammenarbeit der Zulassungstellen, sondern auch einegemeinsame Geschäftsstelle für die großen Werte und schließlich eingemeinsames Dach-Skontro - also ein einheitliches Maklerbuch.Letztereswurde in diesen Tagen sogar noch erweitert.Vom 1.Juli 1997 an werden anallen acht deutschen Börsen dieselben Kassakurse gelten.Die Kooperationkann indes noch kein Garantieschein für das langfristige Überleben sein.Die Berliner müssen sich weiter nach der Decke strecken.Aber dabei sindsie ganz erfinderisch.Verlängert wurden zunächst einmal dieHandelszeiten auf 15 Uhr 55.Der Freiverkehr beginnt seit Oktober 1996bereits um 9 Uhr.Das brachte Auftrieb: Inzwischen entfallen rund 20Prozent des Gesamtumsatzes auf dieses Marktsegment.In der jüngstenVergangenheit kamen den Berlinern schließlich die Einführung der Aktieder Deutschen Telekom sowie die Rekordjagd des Dax zugute.Dieses trieb dieSparer an die Börse.Obwohl inzwischen fast 80 Prozent der Umsätze an derFrankfurter Börse getätigt wurden, machte sich das Geschehen auch an derSpree bemerkbar.Die Umsätze nahmen 1996 um 23 Prozent auf 243 Mrd.DM zu.Und so ähnlich ging es weiter.Im Februar wurden bei Aktien dieVorjahresumsätze um 8 Prozent übertroffen, im März gab es erneut einPlus gegenüber dem Vorjahresmonat um 3 Prozent und gegenüber dem Vormonatgar um 19 Prozent.Und es gibt noch weitere Entwicklungen, die hoffenlassen.So wuchs die Zahl der am Berliner Platz zugelassenenKreditinstitute mit der Morgan Stanley Bank AG auf nunmehr 71.Mit derZulassung der BWB Wertpapierdienstleistung GmbH, Bremen, erhöhte sich dieZahl der Freimaklerfirmen auf neun.Überhaupt der Freiverkehr: Er wirdmehr und mehr zum Zugpferd der Berliner Wertpapierbörse.Im vergangenenJahr wurden in diesem Marktsegment 167 Neulinge eingeführt, davon waren154 ausländische Titel.Der Anleger kann sich inzwischen in Berlin unter513 Auslands-Unternehmen entscheiden.Auf dem Parkett wechseln bis zu 20000 russische Papiere täglich den Besitzer, hier werden die größtenUmsätze in der Bundesrepublik mit russischen Papieren gemacht.

DANIEL RHEE-PIENING

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false