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Wirtschaft: Im Kanton Swatch ticken die Uhren anders

Vor 20 Jahren kamen die ersten Modelle der Schweizer Erfolgsuhr auf den Markt

Berlin. Sie hatten alles, was Uhren bis dahin nicht haben durften. Swatch-Uhren bestanden fast ausschließlich aus Plastik, hatten ein ausgefallenes Design und waren vor allem eines: billig. Sämtliche Modelle kosteten nur 50 Schweizer Franken – damals umgerechnet 65 D-Mark. Seit vor 20 Jahren, am 1.März 1983, auf einer Pressekonferenz in Zürich die ersten zwölf Modelle präsentiert wurden, haben sich die Uhren der Marke Swatch rund 300 Millionen mal verkauft.

Swatch hat den Uhrenmarkt revolutioniert. Verschenkten früher Väter, Onkels und Großväter die „Uhr fürs Leben“ anlässlich von Konfirmation, Schulabschluss oder Hochzeit, kaufte man die bunten Swatch-Uhren jetzt oft beiläufig beim Einkaufsbummel oder auf dem Flughafen. Mit dem Sponsoring von Freestyle Ski Cups und Breakdance- Shows avancierte die Marke besonders bei jungen Kunden schnell zum Kultobjekt.

In der Schweiz steht Swatch für das Wiedererstarken einer ganzen Branche. Anfang der 80er Jahre drohte der traditionsreichen Uhrenindustrie der Ausverkauf. Japanische Anbieter wie Citizen oder Casio überschwemmten mit billigen Quarzuhren den europäischen Markt. Die auf Qualität und Präzision geeichten Schweizer Uhren waren der Konkurrenz nicht gewachsen. Zumindest solange nicht, bis ein Entwicklerteam des Schweizer Uhrenherstellers ETA ein neues Produktionsverfahren erfand, bei dem statt mehr als 150 Teilen nur noch 51 Teile verarbeitet werden mussten.

Die Erfolgsgeschichte der Swatch begann aber erst mit Nicolas Hayek, der als erster das wirtschaftliche Potenzial der Swatch erkannte. Hayek hatte zuvor zwei der wichtigsten Schweizer Uhrenproduzenten saniert und sie 1983 zusammengeführt. Zwei Jahre später stieg er mit eigenem Kapital ein und wurde Chef des seitdem unter dem Namen Swatch Group firmierenden Konzerns.

Heute ist die Swatch Group mit einem Umsatz von mehr als vier Milliarden Schweizer Franken einer der größten Uhrenproduzenten der Welt. Mit hochwertigen Luxusuhren der Marken Longines, Rado oder Breguet will Hayek die Ertragskraft der Gruppe weiter steigern. Die Swatch Group betreibt heute weltweit 100 firmeneigene Läden.

Die weitere Expansion wird Nicolas Hayek als Präsident des Verwaltungsrates und Großaktionär begleiten. Die operative Führung hat der 74-Jährige im Januar an seinen 48-jährigen Sohn George übergeben. Hayek Senior ist ein charismatischer Exzentriker, der mindestens zwei Uhren an jedem Handgelenk trägt. Sein Sohn gibt sich Mühe, die Tradition fortzusetzen. Unlängst proklamierte er den „Kanton Swatch“ als 27. Landesteil der Schweiz. Der Kanton Swatch als Einstellung: „Bürger kann werden, wer Freude am Leben hat. Und die Kantonalbank zahlt kein Geld aus, sondern Zeit.“ Zeit, die – wenn es nach Hayek geht – von einer Swatch abgelesen wird.

Maurice Shahd

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