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Wirtschaft: Im Osten nichts Neues

Die im Hause Burda erscheinende Zeitschrift "Super Illu" schmückt sich mit dem Slogan "Eine für uns" zu sein.Dieser Titel allein zeigt, daß es etwas Besonderes auf sich haben muß mit dem deutschen Osten, in dem die "Super Illu" ausschließlich verkauft wird, für den sie gemacht wird.

Die im Hause Burda erscheinende Zeitschrift "Super Illu" schmückt sich mit dem Slogan "Eine für uns" zu sein.Dieser Titel allein zeigt, daß es etwas Besonderes auf sich haben muß mit dem deutschen Osten, in dem die "Super Illu" ausschließlich verkauft wird, für den sie gemacht wird.

Der Osten ist anders.Er denkt in der ersten Person Plural.Er trinkt Wernesgrüner und raucht Cabinett.Er spült sein Geschirr mit Fit.Und wenn es nicht "Fit" ist, wird es dennoch "Fit" genannt, denn so hieß hier Geschirrspülmittel 40 Jahre lang.Auch was zu DDR-Zeiten verpönt war, zum Beispiel "Rotkäppchen"-Sekt, hat neuerdings, seit man zwischen 100 Sektsorten wählen kann, eine wunderbare Verkaufskarriere hinter sich gebracht.Der Osten ist nicht mehr neuer, sondern vor allem ein eigenständiger Markt geworden.

Den Ursachen für die typisch ostdeutschen Konsumgewohnheiten auf den Grund zu gehen, hatte sich die "Super Illu" vorgenommen, als sie die Studie "Markenrealitäten Ost" bei den Marktforschungsagenturen TBWA Berlin und Trendbüro Hamburg in Auftrag gab.Am Montag wurden die Ergebnisse der vorgestellt.Eine Menge Überraschendes aber auch viel Bekanntes kam dabei heraus.Daß etwa Unterschiede zwischen den Regionen Deutschlands kein reines Nach-Wende-Symptom sind: Sachsen sind anders als Mecklenburger.Mecklenburger sind anders als Holsteiner.Dennoch gibt es seit dem Fall der Mauer eine neue Dimension des Unterschieds: eben der zwischen Ost und West.40 Jahre Diktatur, 40 Jahre erzwungene Abgeschiedenheit von den Trends und Moden haben DDR-Gewohnheiten entstehen lassen.Die Marktforscher im Auftrag der Super-Illu illustrierten diese Gewohnheiten mit dem Film "Das ostdeutsche Lebensgefühl".Darin fehlte nicht der FKK, nicht der Trabi, nicht die oft glorifizierte ostdeutsche Solidarität.

Im wissenschaftlichen Sinne jedoch, das machte Marketingprofessor Udo Koppelmann von der Universität Köln klar, sind die Unterschiede zwischen Ost und West nichts anderes als die zwischen Nord und Süd.Überall funktionierten die Konsumenten nach den gleichen Prinzipien.Sie wollen Leistung zum guten Preis, und sie wollen Emotion.Zum Beispiel in Form von Regionalität, denn "Regionalität ist die Heimat der Marken", aller Marken.Acht Jahre nach dem Fall der Mauer wissen die Ostdeutschen, daß sie nicht ohne Hallorenkugeln leben wollen und daß sie ihr Geschirr noch immer gern mit Fit, ihre Wäsche gern mit Spee waschen wollen.Emotion hat nach Koppelmann auch etwas mit Vertrautheit zu tun.

Es war für die Trendforscher also nur noch eine Fleißaufgabe, die Ost-Emotionalität zu ergründen.Herausgefunden haben sie, daß Ostdeutsche anders denken: Sie suchen nach eindeutigen, vollständigen Antworten.Sie handeln anders: spontaner und deswegen für Analysten weniger berechenbar.Sie fühlen anders: Sie essen feste Brötchen und würzige Wurst, trinken starken Kaffee und ziehen vor der Wohnung ihre Schuhe aus.

Das Anderssein der Ostdeutschen hat sich nach Ansicht von Stefan Baumann, der die Ergebnisse der Studie vorstellte, seit dem Fall der Mauer geändert.Der Freiheitseuphorie der Jahre 1989 und 90, der fast alle ostdeutschen Produkte zum Opfer fielen, weil Marlboro, Ariel, Pril und Becks einfach wunderbar waren, folgte 1991 Ernüchterung und Enttäuschung.Ostprodukte wurden gleichgesetzt mit einer nun erwachenden Ostidentität.Das Fehlen der vertrauten Produkte wurde als Verlust der Identität empfunden.Die Folge hieß "Ostalgie".Der Osten wurde zur Konsumheimat, der Osten wurde Kult.Aus dem Westen kamen plötzlich nicht mehr Freiheit und Reichtum, sondern die Gefahr für die Identität.

Dies war die Stunde der Renaissance von Rotkäppchen und der Zigarette F 6, von Spee, Cabinett, von Wernesgrüner und Hallorenkugeln.Was dann einsetzte, wuchs über den Jetzt-Erst-Recht-Trotz der Ostalgie hinaus: "Ostimismus" nannte Baumann das neue Selbstbewußtsein der Ostdeutschen seit 1996.

Das Milieu änderte sich gründlich.Eine 16-Millionen-Region verstellte sich nicht mehr, paßte sich nicht mehr an, sondern begann, sich in ihren Eigenarten zu feiern.Ostprodukte, wie der einst verpönte Rotkäppchen-Sekt, breiten sich mit zweistelligen Wachstumsraten im Westen aus - ein schöner Nebeneffekt ostdeutschen Selbstbewußtseins.

KATHRIN SPOERR

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