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Wirtschaft: Im Rahmen der Möglichkeiten

Die Gesundheitsministerin droht den Kassen, die Beiträge notfalls per Gesetz zu senken – doch nicht einmal Verbraucherschützer sind von der Idee überzeugt

Berlin - Die Gesundheitsministerin und der Kanzler machen mächtig Druck. Die Krankenkassen, mahnten sie zuletzt auf der Computermesse Cebit, sollten einen Teil ihres Milliardenüberschusses dazu verwenden, die Beiträge ihrer Versicherten zu senken – statt die Gehälter einzelner Kassenchefs zu erhöhen. Notfalls, drohte Ministerin Ulla Schmidt im Bundestag, werde sie auch gesetzliche Regelungen in Erwägung ziehen. Doch ein solches Vorhaben, das so verbraucherfreundlich anmutet, stößt nicht nur bei SPD und CDU, sondern auch bei Verbraucherschützern auf Ablehnung.

Dabei war alles so schön geplant. Um die Kosten zu senken, hatten Regierung und Opposition 2004 gemeinsam eine Gesundheitsreform auf den Weg gebracht. Die Hauptlast trugen die Versicherten – etwa über die Praxisgebühr und eine höhere Zuzahlung bei rezeptpflichtigen Medikamenten. Im Gegenzug hatte ihnen Ulla Schmidt Beitragssenkungen versprochen. Doch der Plan geht nicht auf: Die Krankenkassen erzielten im vergangenen Jahr zwar einen Überschuss von rund vier Milliarden Euro, auf günstigere Beiträge warten die meisten Versicherten aber vergebens. Sie zahlen immer noch im Schnitt 14,24 Prozent – das sind gerade einmal 0,06 Prozent weniger als vor der Gesundheitsreform.

Trotzdem steht die Gesundheitsministerin mit der Ankündigung, die Beitragssenkung notfalls auch per Gesetz durchzudrücken, ziemlich allein da. „Eine pauschale gesetzliche Regelung kann ich mir nicht vorstellen“, sagte Klaus Kirschner (SPD), der Vorsitzende des BundestagsGesundheitsausschusses. „Aber wir müssen den Druck so erhöhen, dass die Kassen, die senken können, das auch tun werden.“ Erst, wenn diese sich beharrlich weigerten, so Biggi Bender, Gesundheitspolitikerin der Grünen, werde man darüber nachdenken müssen, ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Es gebe im Übrigen bereits das Gesundheitsreformgesetz, das die Kassen sowohl verpflichte, die Einsparungen weiterzugeben, als auch ihren Schuldenberg abzutragen. Allerdings lässt es ihnen Zeit bis 2007.

Ulla Schmidt würde die große Senkungswelle lieber gleich anstoßen – und nimmt sich dabei Horst Seehofer zum Vorbild, der als Gesundheitsminister die Kassenbeiträge 1997 per Gesetz um 0,4 Prozentpunkte gedrückt hatte.

Doch selbst Verbraucherschützer mahnen zur Zurückhaltung. „Da, wo es möglich ist, sollten Kassen den Überschuss an ihre Versicherten weitergeben“, sagte Thomas Isenberg, Gesundheitsexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Aber es darf keine Beitragssenkungsspirale auf Pump geben.“ Wenn Schulden über lange Jahre gestreckt würden, müssten Versicherte die hohen Bankzinsen mit ihren Beiträgen bezahlen, sagte Isenberg. Eine Beitragssenkung per Gesetz lehnt er ab: „Die Folge wäre eine Welle an Kassenfusionen und eine weitere Verunsicherung der Versicherten“.

Auch die Union will da nicht mitmachen. „Wir brauchen keine neue gesetzliche Regelung“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Zöller. Das findet auch der CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm: „Ich bin skeptisch.“ Ob die Kassen Spielräume für eine Beitragssenkung hätten, hänge auch von der weiteren Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ab. Es sei problematisch, wenn der Gesetzgeber den Kassen Vorgaben mache, ohne dies zu berücksichtigen, gibt Storm zu bedenken.

„Wir stehen im Wettbewerb“, sagt Norbert Klusen, der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse. „Jede Kasse, die dazu in der Lage ist, wird ihre Beitragssätze senken – dazu braucht es kein Gesetz.“

Eine gesetzlich verordnete Beitragssenkung um 0,9 Prozentpunkte wird es am 1. Juli dieses Jahres zwar geben – allerdings werden Versicherte davon nichts haben. Denn im Gegenzug müssen sie künftig 0,4 Prozentpunkte ihres Bruttogehalts zusätzlich für den Zahnersatz zahlen und 0,5 Punkte mehr für das Krankengeld. Da sich der Arbeitgeber am Zusatzbeitrag nicht beteiligt, zahlt der Arbeitnehmer unterm Strich künftig 0,45 Prozentpunkte mehr. Eine Entlastung sieht anders aus.

Maren Peters

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