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Vertreterbesuch. Russlands Präsident Putin kam nicht persönlich, sondern schickte seinen Premier Medwedew. Foto: AFP

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Wirtschaft: Im Regierungslager

Die G 8 diskutieren in Camp David über Syrien, Iran – und den Euro.

Camp David - Falls sich die Gewichte zwischen den Befürwortern der Austeritäts- und der Wachstumsfraktion in der Eurozone durch die jüngsten Wahlen in Griechenland und Frankreich verschoben haben, dann war das weder der Körpersprache des Gastgebers des G-8-Gipfels anzumerken noch dem Abschlusskommuniqué. Als Präsident Barack Obama seine Gäste in Camp David, dem Landsitz des Weißen Hauses in den Catoctin-Bergen gut hundert Kilometer nordwestlich von Washington, im Freien begrüßt, wirkt der Empfang für Kanzlerin Angela Merkel besonders herzlich. Sie ist die einzige Frau in der Gipfelrunde. Nach Küsschen auf beide Wangen erkundigt er sich mitfühlend, wie es ihr gehe. Er lässt durchblicken, dass er auch über die innenpolitische Dynamik nach der Wahl in Nordrhein- Westfalen im Bilde ist. „Du hast zur Zeit eine ganze Menge zu bedenken.“

Mit Francois Hollande ist Obama noch nicht ganz so vertraut. Drei der acht Staats- und Regierungschefs sind seit dem letzten G-8-Treffen neu ins Amt gekommen, vor dem Franzosen der Italiener Mario Monti und der Japaner Yoshihiko Noda. Am Freitagmittag hatte Obama Hollande bereits im Weißen Haus empfangen und ihm damit hilfreiche Bilder für die Innenpolitik gegeben: Kaum im Amt, bewegt sich der Neue in den symbolhaften Kulissen der Weltpolitik. Am Abend in Camp David begrüßt Obama ihn schon fast wie einen alten Bekannten. Hollande ist als Einziger mit Krawatte erschienen. Obama neckt ihn: „Francois, wir hatten doch gesagt: Du kannst die Krawatte ablegen.“ Die trage er „für meine Presse“, erwidert der Franzose. Obama lacht verständnisvoll: „In den Medien musst du immer gut aussehen.“

Ein Treffen in familiärer Atmosphäre, damit man sich ungezwungen austauschen könne, hatte das Weiße Haus angekündigt. Camp David wurde als rustikale Version der legendären ersten Kamingespräche auf Schloss Rambouillet 1975 auserwählt. Der Landsitz liegt in den Laubwäldern eines Naturschutzparks. Die Bebauung ist einem „Camp“ nachempfunden, wie sie Holzfäller und Militärs in der Kolonialzeit angelegt haben: einstöckige, langgestreckte „Cabins“. In der größten mit dem Namen „Laurel“ setzen sich die acht, ergänzt um EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso und den Vorsitzenden des Europäischen Rats, Herman van Rompuy, um einen runden Tisch zum Dinner. Es ist ein lauer Frühsommerabend, die Vögel zwitschern. Die Gäste übernachten in eigenen „Cabins“, die Kanzlerin in der „Red Oak Lodge“, Obama in „Aspen“, wie stets, wenn er hier Wochenenden mit Familie verbringt.

„Was für ein hübscher, friedlicher Ort!“, lobt der Brite David Cameron bei der Begrüßung. „Ja, es ist nicht schlecht“, erwidert Obama mit demonstrativer Bescheidenheit. Der Russe Dmitri Medwedew schwärmt: „Hier will ich bleiben.“ Er ist in Vertretung des neuen Präsidenten Wladimir Putin, den er als Premierminister abgelöst hat, gekommen und trägt ein etwas zu knallblaues Jacket.

Die Weltwirtschaft und die Eurokrise stehen am Samstag auf der Tagesordnung. Auch da wird der familiäre Frieden gewahrt. Es gehe um eine Balance zwischen Budgetdisziplin und Wachstum, verkünden Hollande, Merkel, Monti und Obama nacheinander vor den Medien. Selbst vor den nationalen Reportern widerstehen Merkel und Hollande der Versuchung, die Akzente entsprechend ihren Vorlieben – Wachstum bei Hollande, Sparen bei Merkel – zu verschieben. Sie behandeln sich liebenswürdig. Selbst Pannen im Ablauf stellen sie so dar, als seien es gezielte Akte der Höflichkeit. Eigentlich soll erst Merkel zu deutschen, dann Hollande zu französischen Reportern sprechen. Doch die amerikanischen Begleiter führen versehentlich die französische Presse zuerst in den Raum. Die Deutschen tun so, als hätten sie Hollande den Vortritt gelassen. Und der revanchiert sich mit der Vorgabe, er werde nur zwei Fragen französischer Reporter zulassen, damit genug Zeit für Merkel bleibe.

Beim Dinner am Freitagabend waren Iran, Syrien, Nordkorea, Birma die Themen. Es dauerte mehr als zwei Stunden. Gegenüber Iran bekräftigen die G 8 ihre „duale“ Strategie aus Diplomatie und Sanktionsdruck, informierte ein Berater Obamas zu später Stunde die Presse. Auch Russland unterstütze das Vorgehen beim Gespräch mit Iran am 23. Mai. Länder wie Japan hätten sich vom Import iranischen Öls unabhängig gemacht.

Zur Euro-Krise heißt es aus Obamas engstem Umfeld: In den Medien würden „Austerität“ und „Wachstum“ zu sehr als Gegensätze dargestellt. Es gehe um die richtige Balance. Aber ein bisschen weniger Austerität als Merkel halte das Weiße Haus für angebracht – damit die Eurozone sich nicht in eine Rezession hinein spare. Christoph von Marschall

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