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Wirtschaft: Immer mehr Arbeitnehmer sind psychisch krank

Krankenstand dennoch so niedrig wie zuletzt 1997 / Berliner sind häufiger krank als der Bundesdurchschnitt

Berlin - In Deutschland gibt es immer weniger krankheitsbedingte Arbeitsausfälle – aber gleichzeitig immer mehr Menschen, die wegen psychischer Probleme dem Arbeitsplatz fernbleiben. Besonders in Berlin melden sich überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer wegen Depressionen oder Angstzuständen krank, heißt es im aktuellen Gesundheitsreport der zweitgrößten deutschen Krankenkasse DAK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach sank der Krankenstand im vergangenen Jahr bundesweit um 0,1 auf 3,1 Prozent – das ist der niedrigste Stand seit 1997. „Dieses Niveau ist sehr niedrig und es sind nur noch geringe Senkungen zu erwarten“, sagte DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher. Im bundesweiten Vergleich lagen Berlin und Brandenburg mit 3,8 Prozent an der Spitze (siehe Grafik).

Die DAK gibt ihren Gesundheitsreport seit 1997 jährlich heraus. Er basiert auf den Daten ihrer berufstätigen Mitglieder. Mit dem Krankenstand ist der Anteil der kranken Beschäftigten an allen Beschäftigten gemeint. Die Kassen berechnen den Krankenstand aus den Arbeitsunfähigkeitstagen, also den Tagen mit einer ärztlichen Krankschreibung, bezogen auf alle Kalendertage des Jahres.

Den niedrigen Krankenstand führt DAK-Chef Rebscher unter anderem auf die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zurück. Das sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ähnlich. „Wir befürchten, dass sich immer mehr Beschäftigte aus Angst um ihren Arbeitsplatz krank zur Arbeit schleppen“, sagte Ursula Engelen-Kefer, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), dem Tagesspiegel. Damit bestehe ein erhebliches Risiko, dass Krankheiten chronisch würden.

Ökonomen haben noch eine andere Erklärung für den gesunkenen Krankenstand als die Angst vor dem Jobverlust. „Wenn es der Konjunktur schlecht geht, werden die älteren und kranken Leute zuerst entlassen“, sagte Holger Bonin, Arbeitsmarktexperte von Institut zur Zukunft der Arbeit, dieser Zeitung. Darum geht er davon aus, dass mit der derzeit wieder anziehenden Konjunktur und Neueinstellungen auch der Krankenstand wieder leicht ansteigen könnte. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft nennt als Grund für den Rückgang auch steigende Investitionen der Betriebe in den Arbeitsschutz und das steigende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung.

Im vergangenen Jahr war ein DAK-Versicherter im Durchschnitt 11,3 Tage krank. Im Vorjahr waren es noch 11,6 Tage. Den höchsten Krankenstand gibt es dem Gesundheitsreport zufolge erstmals unter Angestellten des Gesundheitswesens. Im vergangenen Jahr lagen noch die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung an erster Stelle, die jetzt auf Platz zwei folgen. Die wenigsten Abwesenheitstage zählte die DAK in der Datenverarbeitung und in rechtsberatenden Berufen.

Auch in Berlin ist der Krankenstand auf den niedrigsten Stand seit 1997 gesunken, allein 2005 waren es fünf Prozent weniger als im Vorjahr. Trotzdem haben die Berliner zusammen mit den Brandenburgern im Bundesvergleich immer noch die meisten Krankheitstage. Berliner sind aber nicht nur häufiger, sondern auch länger krank als der Bundesdurchschnitt, sagte Herbert Mrotzek, der DAK-Landesgeschäftsführer für Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch die Zahl der psychischen Erkrankungen ist in der Hauptstadt öfter Grund für die Abwesenheit vom Arbeitsplatz als im Bundesschnitt. Erstmals sind die psychischen Erkrankungen hier mit 12,9 Prozent von der vierten auf die dritte Stelle vorgerückt.

Trotz des bundesweiten Rückgangs beim Krankenstand sieht der DGB keinen Grund für Entwarnung. „Es wäre fatal, wenn sich Politik und Wirtschaft von einem niedrigen Krankenstand blenden lassen“, sagte die stellvertretende DGB-Chefin Engelen-Kefer. Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz müsse dringend verbessert werden.

Maren Peters

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