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Wirtschaft: Immer weniger machen blau

Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und KrankenstandWährend die Arbeitslosenzahlen in neue Höhen steigen, ist der Krankenstand auf ein Rekordtief gesunken.Waren 1990 noch knapp sieben Prozent der Pflichtmitglieder der Betriebskrankenkassen (BKK) in Westdeutschland krank gemeldet, lag diese Zahl im vergangenen Jahr nur noch bei 4,6 Prozent.

Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und KrankenstandWährend die Arbeitslosenzahlen in neue Höhen steigen, ist der Krankenstand auf ein Rekordtief gesunken.Waren 1990 noch knapp sieben Prozent der Pflichtmitglieder der Betriebskrankenkassen (BKK) in Westdeutschland krank gemeldet, lag diese Zahl im vergangenen Jahr nur noch bei 4,6 Prozent.Auch in früheren Jahren war eine parallele Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Krankenstand zu beobachten.Ein Beweis, daß es sich Arbeitnehmer bei einer schwierigen Arbeitsmarktlage nicht mehr leisten können, blau zu machen? Oder gehen dann Menschen trotz Krankheit zur Arbeit? Beides treffe zu, sagt Rolf Rosenbrock, der beim Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) die Arbeitsgruppe Public Health leitet."Welcher Faktor ausschlaggebend ist, kann man wissenschaftlich nicht seriös beantworten." In jedem Fall habe er bei Befragungen in Betrieben immer einen Anteil an Arbeitnehmern gefunden, die eigentlich zu Hause hätten bleiben sollen. Gewerkschaften neigen naturgemäß dazu, nur den zweiten Aspekt zu betonen, Arbeitgeber eher den ersten."Es ist nicht nachzuvollziehen, warum auf einmal so wenige Arbeiter krank sein sollten.Wegen der schlechten Arbeitsmarktsituation schleppen sich viele trotz Krankheit zur Arbeit - aus Angst vor Entlassung", sagt Hartmut Friedrich, Landesverbandsleiter der DAG in Berlin. Krankheitsbedingte Kündigungen sind zwar nach Angaben von WZB-Mitarbeiter Rosenbrock "äußerst schwierig durchzusetzen", doch wird bei anstehenden Rationalisierungen auch ein Blick auf die Krankheitsstatistiken geworfen.Daß nicht die Blaumacherei zurückgegangen sei, würde auch die konstant gebliebene Rate der Kurzzeiterkrankungen zeigen.Nur die Langzeiterkrankungen seien zurückgegangen.Daher sei die Behauptung der Arbeitgeber, bei höherer Arbeitslosigkeit sinke die Blaumacherei, falsch.Aufgrund der Brisanz des Themas halten sich die Arbeitgeber, was Aussagen zur Blaumacherei betrifft, bedeckt.Doch weisen sie gerne auf die positiven Wirkungen des veränderten Lohnfortzahlungsgesetzes hin.1996 war die Lohnfortzahlung gesetzlich auf 80 Prozent des Gehalts gesenkt worden; allerdings war dies nur in Ausnahmefällen in die Tarifverträge übernommen worden."Die gesetzliche Veränderung hat sich dort, wo sie umgesetzt wurde, direkt auf den Krankenstand ausgewirkt", sagt Klaus-Hubert Fugger, Sprecher der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB)."Aber auch in den anderen Branchen hat sie zu einer Bewußtseinsveränderung geführt." Für die Arbeitgeber ist es ein erfreulicher Trend, bedeutet es doch auch eine Kostenentlastung."Allein für die Lohnfortzahlung mußten die Unternehmen 1996 rund 60 Mill.DM ausgeben", hebt Claus Schnabel, Mitarbeiter des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), hervor.Neben diesen direkten Kosten entstünden aber auch noch indirekte Belastungen für die Betriebe, indem die Arbeitsabläufe gestört werden, Überstunden erforderlich sind und Vertreter besorgt werden müssen.Insbesondere kleinere Unternehmen müßten durch Krankheit Produktionsausfälle und Lieferschwierigkeiten hinnehmen.Nicht zuletzt muß das Unternehmen von Anfang an mehr Personal einplanen, da nicht alles durch Überstunden auffangbar ist.Rosenbrock beziffert die zusätzlichen Kosten eines verlorenen Arbeitstages auf durchschnittlich 800 DM. Streben die Unternehmen angesichts solcher Kosten noch niedrigere Krankenstände an? Deutschland - schon in Sachen kurzer Arbeitszeit international ein Spitzenreiter - lag 1994 nach Angaben von IW-Forscher Schnabel in Europa gleich nach Holland an zweiter Stelle.Der Unterschied zu anderen Ländern sei inzwischen gesunken, doch "dürften wir immer noch relativ weit oben sein." In Großbritannien liege die Fehlzeitenquote bei etwa drei bis dreieinhalb Prozent, in den USA zwischen zwei und drei und in Japan ist sie nach Angaben von Schnabel noch niedriger.Daher sei auch noch "ein Spielraum" drin.Schnabel hält eine Zahl von zwei bis drei Prozent für realistisch, da "Arbeitnehmer immer mal krank werden."

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